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Aktueller Standort seit 07. Mai 2011: Wedel und Hamburg, Deutschland

Freitag, 19. November 2010

Mexikos Kolonialstädte



Achtung, hier wird´s eng und eckig
 Zentralmexiko, wo sich Kolonialstädte aneinanderreihen, die Kurven rechtwinklig sind, Straßen unterirdisch verlaufen und es viele Agavenfelder gibt, war für rund 2 Wochen unser Ziel. Nach der Halbwüste der Baja California freuen wir uns hier über viel Grün und Bäume, die es auch ohne künstliche Bewässerung zu stattlichen Höhen bringen.

Agavenfeld

Durango (gegründet 1563), die erste Kolonialstadt, die wir besuchen, erreichen wir nach kurvenreicher Fahrt von Mazatlán aus. Für die rund 300 Kilometer benötigen wir 7 Stunden auf der kostenfreien Straße, die uns durch schöne, wilde Berge führt (übrigens eine der schönsten Strecken, die wir gefahren sind). Die Strecke ist nicht gerade leicht zu befahren, denn es geht kaum einmal 100 Meter geradeaus, teilweise winden wir uns um Haarnadelkurven, wobei wir Gefahr laufen von einem Truck gerammt zu werden, der die engen Kurven schneiden muss, um sie überhaupt meistern zu können; die Straße verlangt volle Konzentration, was unsere mexikanischen Mitstreiter jedoch nicht von riskanten Überholmanövern abhält, die, so kommt es uns vor, in suizidaler Absicht durchgeführt werden. Die Gesamtbreite einer Straße, inkl. der Standspuren, wird gern komplett ausgenutzt. Nicht selten befinden sich auf zweispurigen Fahrbahnen plötzlich 4 Autos nebeneinander.
Eine der schönsten Strecken - Fahrt von Mazatlán nach Durango

In Durango beziehen wir Quartier auf einem Parkplatz mitten im Zentrum. Der „Estacionamiento“ ist 24 Stunden geöffnet und bewacht.


Der Heilige hat schon viele Wunder vollbracht, wie die Dankestafeln bezeugen
Auf dem Weg nach Zacatecas halten wir in Plateros, einer Art mexikanischem Lourdes. Zumindest ist Santo Nino de Atocha eines der meistbesuchten Heiligtümer des Landes, der Jahr für Jahr viele Pilger anzieht. Die Wände der Kapelle sind gepflastert mit sog. rotables, Tafeln, auf denen die Menschen dem Heiligen für vollbrachte Wunder danken.

El Santo Nino de Atocha

Die alte Silberstadt Zacatecas (gegründet 1548)– rund 2500 Meter hoch gelegen – erweist sich als sehr gut erhaltene Kolonialstadt, in der keine Reklameschilder den Gesamteindruck schmälern. Wir fahren mit der Seilbahn – made in Switzerland - auf den Haushügel Cerro de la Bufa, wo wir vor der Polizeistation eine Nacht verbringen. Es ist so sicher da, dass auch viele Jugendliche nächtens dort hinkommen, allerdings weniger mit der Absicht zu schlafen als vielmehr Party zu machen. Entsprechend laut ist es, so dass wir immer wieder aus dem Schlaf gerissen werden. Außerdem ist es ziemlich kalt hier oben auf 2500 Meter Höhe.

Platz in Zacatecas

Zacatecas war jahrhundertelang ein Zentrum des Silberbergbaus und gilt als eine der schönsten Kolonialstädte des Landes. Natürlich fahren wir in das Silberbergwerk mit einem kleinen Zug ein und haben Pech: Stromausfall! Die komplette Führung von immerhin 2 Stunden erleben wir in Dunkelheit, was durchaus ein Erlebnis sein kann.

Die 2. Nacht verbringen wir im empfehlenswerten Hostal Villa Colonial mit Flurdusche und Gemeinschaftsklo für 190 Pesos sowie Internetzugang. Der Landy parkt derweil in Sicht des Concierge, was ziemlich beruhigend ist.


Brunnen in Aguascalientes

Nächste Station ist Aguasaclientes („Heißes Wasser“; gegründet 1575), ebenfalls mit kolonialem Zentrum. Bekanntheit erlangte die Stadt hauptsächlich wegen ihrer heißen Quellen, die unweigerlich zur Namensgebung beitrugen. Hier finden wir witzige, innovative Cafés und lassen uns nur allzugern zu Apfeltarte und Milchkaffee nieder, bevor wir nach Tequila (s. Bericht „Tequila“) weiterfahren, wo wir insgesamt 2 Tage verbringen.

Die Strecke von Tequila nach Jocotepec am Chapala See raubt uns fast den letzten Nerv. Wir müssen nicht nur rund 145 topes überwinden, jene fiesen Geschwindigkeitsreduzierer, die sich in unendlicher Anzahl auf allen Straßen, inkl. Autobahnen, befinden, sondern dabei auch sehr umsichtig wegen der vielen Schlaglöcher fahren. Am schlimmsten ist es in den Ortschaften selbst, wo sich Schlaglöcher, topes und mieses Kopfsteinpflaster abwechseln (wobei letzteres allein ausreichend ist um Autofahrer zum Langsamfahren zu zwingen). Die schlechten Straßenverhältnisse, gepaart mit schlechter Straßenbeleuchtung und fast fehlendem Streulicht der Umgebung, sind übrigens ein ernstzunehmender Grund sich nach Anbruch der Dunkelheit nicht mehr hinters Steuer zu setzen. Die verschiedenen Geschwindigkeitsreduzierer, Abbruchkanten, hochstehende Fahrbahnplatten, klaffende Löcher in der Fahrbahndecke (in Folge geklauter Gullydeckel) sowie Schlaglöcher jeglicher Größe, Form und Tiefe stellen nicht zu unterschätzende Risiken dar, die Fahrer und Material stark beanspruchen. Außerdem muss man immer damit rechnen dass Tiere (vom Huhn über Hunde, Kühe, Esel bis hin zu Pferden) die Straßenseite wechseln möchten oder plötzlich aus dem Gebüsch auftauchen. Das gilt besonders tagsüber.

Als wir am Abend in Chapala ankommen sehen wir den größten See Mexikos gerade noch im Schein der untergehenden Sonne. Wir stellen den Wagen an der Uferpromenade ab, die uns auch Schlafort sein wird. Bereits beim Einfahren in den Ort hatten wir gesehen, dass es hier nur so von Touristen wimmelt. Tatsächlich ist Chapala seit Anfang des 20. Jahrhunderts beliebtes Ferienziel. Zudem haben sich, angezogen vom milden Klima, viele US-Amerikaner und Kanadier hier niedergelassen. Wir merken es an infrastrukturellen Einrichtungen wir Walmart, aber auch an den relativ hohen Preisen, insbes. für Hotelzimmer. Nach einem Tipp landen wir bei Marina in Ajijic, wo wir uns gleich mal für 3 Tage einquartieren. Ajijic überzeugt durch viele, kleine (Kopfstein-) Straßen mit niedlichen Häusern, deren patios (Innenhöfe) neugierig machen sie zu erkunden, jedenfalls wenn man zu Fuß unterwegs ist. Die Hausbesitzer haben das auch erkannt und viele Restaurants befinden sich hinter den größtenteils schmucklosen, einfachen Fassaden. Da sich viele Künstler hier niedergelassen haben bummeln wir nach Herzenslust durch die verschiedensten Galerien.

Reiter im Künstlerstädtchen Ajijic/Chapala See

Unsere Weiterfahrt nach Morelia (gegründet 1541), prächtige Hauptstadt des Bundesstaats Michoacán, verläuft durch eine Landschaft, die uns stark an Norditalien erinnert und wir sind ganz angetan von der lieblichen Umgebung sowie von den guten Straßen. Es gibt so gut wie keine Schlaglöcher, allerdings genauso viele nervige topes, wie anderswo. Wir nächtigen im Parkhaus und hören in der Nacht Schüsse, was uns mal wieder daran erinnert, dass wir in Mexiko sind, wo sich Drogenbanden gerne ein Stelldichein liefern. Vielleicht sind sie der Grund, weshalb wir hier nicht ganz zur Ruhe kommen, vielleicht liegt es aber auch an der abgasgeschwängerten Luft um uns herum. Früh am nächsten Morgen machen wir uns daher auf Richtung Guanjuato, wo wir mit Thomas und Martin, die wir in San José de Gracia kennengelernt hatten, verabredet sind.

In der Markthalle von Guanajuato, die nach Plänen Gustave Eiffels errichtet wurde

Guanajuato (gegründet 1559) - Stadt der Tunnel, der Mumien und des Wiedersehens - erreichen wir bei strahlendem Wetter. Ein verheißungsvolles Schild mit der Aufschrift „Información Turística“ lässt uns an einem kleinen Häuschen an der Stadtgrenze halten, doch schnell wird klar, dass wir hier nicht die Infos bekommen würden, die wir suchen. Unsere Fragen nach Stadtplan und Hotelverzeichnis werden negativ beantwortet. Beides ist nicht vorhanden. Wie so oft sind es in der Regel die Tourismusinfos, die am schlechtesten ausgestattet sind. Das gilt sowohl für Drucksachen als auch für die Mitarbeiter selbst, die oft einfach keine Ahnung haben. Dafür lernen wir hier einen weiteren Deutschen kennen, der für die Firma Getrag in Irapuato arbeitet, genau wie unsere Verabredung Thomas und Martin.

Nach dem wir keine Infos zu Guanajuato bekommen haben ist unser Vertrauen in einen Guide, der uns in die Stadt begleiten soll, arg geschwächt. Wir winken dankend ab. Bislang hatten wir uns immer zurechtgefunden und Informationen von Einheimischen erwiesen sich schon zu oft als falsch oder unzureichend, so dass wir uns alleine auf den Weg Richtung Zentrum machen. Rasch müssen wir erkennen, dass es ein Fehler war Guanajuato allein zu erfahren. Die Stadt, ebenfalls reich an Silber und entsprechenden (alten) Stollen – ist mehr oder weniger komplett untertunnelt und die Tunnel werden als Straßen benutzt. Das mindert allerdings nur wenig das Verkehrschaos Übertage. Die Stadt droht zu bersten vor Menschen und Autos; lange Schlangen zähfließenden Verkehrs quälen sich durch enge Gassen. Zu allem Überfluss finden sich keinerlei Straßenschilder. Schnell verlieren wir die Orientierung und merken, dass wir im Kreis fahren. Parkplätze sind Mangelware und die von uns angesteuerten bewachten Parkplätze scheiden aus, weil wir mit dem Landy (rund 2,60 Meter Höhe) nicht durch die Toreinfahrten passen. Nach rund 2 Stunden finden wir endlich eine Möglichkeit den Wagen abzustellen. Wir machen uns zu Fuß auf den Weg nach einer Bleibe für die Nacht. Wie wir so die Straße entlang schlendern bleiben unsere Augen an einem gelben, selbstgemalten Schild hängen: „regaderas y banos incl. shampoo; también hospedaje“ (Duschen und Toiletten inkl. Shampoo; auch Unterkunft). Wir fragen nach und landen bei Maricarmen, die zwar ausgebucht ist (obwohl ihr ältester Sohn glatt für uns sein Zimmer räumen würde), uns aber als Alternative ihren Hinterhof anbietet. Wir greifen zu. Für 125 pesos kriegen wir ihren Parkplatz hinterm Haus, was uns bedeutend lieber ist, als für eine Hotelübernachtung das halbe Auto leer zu räumen. Außerdem können wir Maricarmens Bad mitbenutzen (das schon bessere tage gesehen hat), erhalten nebenbei Einblick in die Wohnverhältnisse einer durchschnittlichen mexikanischen Familie (sehr interessant!) und laufen nur ein paar Minuten bis ins historische Zentrum. Perfekt!

Am gleichen Abend noch treffen wir Martin und Thomas wieder, mit denen wir gepflegt essen gehen und eine vergnügliche Zeit verbringen.

Guanajuato gefällt uns ausnehmend gut. Wenn man die Stadt ohne Auto erkundet ist sie längst nicht so chaotisch. Das alljährlich im Oktober stattfindende Cervantino-Festival lädt mit vielen kulturellen Leckerbissen ein. In der ganzen Stadt verteilt finden sich Bühnen für verschiedene Veranstaltungen. Wir selbst kaufen uns Karten für ein cubanisches Konzert.


Musiker auf dem Zócalo (Hauptplatz) in San Miguel de Allende

Nicht weit von Guanjuato liegt San Miguel de Allende. 1542 wurde hier eine Indianermission gegründet und in der Kolonialzeit ließen sich reiche Minen- und Grundbesitzer nieder. Ihre Paläste gehören noch heute zu den schönsten des Ortes. Heute sind es vor allem US-Bürger, die sich hier neu eingerichtet haben und für ein buntes Leben mit vielen Kneipen, Bars, Geschäften und Restaurants sorgen. Die Stadt ist richtig hübsch, vor allem aber exklusiv, was sich wiederum in den Preisen niederschlägt. Nach langer Suche finden wir einen Trailer Park und nach noch längerer Suche – die bereits in den USA begonnen hatte! - können wir hier sogar einen Lonely Planet, ein Campingplatzverzeichnis und eine aktuelle Straßenkarte für Mexiko erwerben! Kaum zu glauben. Nach endlos vielen Läden, die wir während unseres jetzt schon 2 Monate andauernden Mexiko-Aufenthaltes aufgesucht haben, ist es uns nun endlich gelungen aktuelles Material zu bekommen ;-) und die Übernachtungen auf den Tankstellen werden somit weniger werden :-)

Querétaro (gegründet 1531) wiederum stellt sich ganz anders, ganz ursprünglich dar. Wir begegnen kaum Touristen; es gibt Fußgängerbereiche mitten im Zentrum, was ziemlich selten ist für Mexiko. Eine der Hauptattraktionen ist ein 1,28 Kilometer langes Aquädukt sowie ein „Wunder“, das sich im dortigen Konvent de Santa Cruz zugetragen haben soll. Der Legende nach hat ein Mönch seinen Spazierstock in die Erde gesteckt woraus der „Baum des Kreuzes“ (Arbol de la Cruz) erwuchs. Dieser Baum trägt Dornen, die an das Kreuz Jesu Christi erinnern und viele Mexikaner hierher locken.

Hauswerbung in Oaxaca

Als (vorerst) letzte koloniale Stadt besuchen wir Oaxaca (gegründet 1529) im gleichnamigen Bundesstaat, schon ziemlich weit im Süden der mexikanischen Republik. Auf dem Weg dorthin machen wir Halt in Cholula. Rundherum erheben sie die höchsten Bergen des Landes: der „Rauchende Berg“ Popocatepetl (5452 m), der Iztaccihuatl (5220 m), der La Malinche (4460 m) und in der Ferne der Pico de Orizaba (5611 m) mit seinem schneebdeckten Gipfel.


Der Popocatepetl

Die Pyramide von Tepanapa in Cholula gleicht eher einem bewachsenen Hügel als einer Pyramide. Dem Volumen nach ist sie die drittgrößte der Erde, womit sie sogar die Cheops-Pyramide in Ägypten übertrifft. „Gekrönt“ wird das Bauwerk von einer Kirche, die die Konquistadoren als Zeichen der Macht obenauf setzen ließen! Die Pyramide ist dem Gott Quetzalcóatl gewidmet, dem Gott des Windes, des Morgen- und des Abendsterns.

Oaxaca wird als eine der schönsten Städte Mexikos beschrieben. Wir erleben sie vor allem quirlig, bunt und jeden Tag scheint Fiesta zu sein. Die Stadt hat eine Menge Märkte, auf denen Kunsthandwerk jeglicher Art angeboten wird. Auf dem riesigen Mercado de Abastos findet der Käufer alles, was das Herz begehrt. Von Obst, Gemüse, Backwaren über Haushaltsartikel, Klamotten, Schuhe bis hin zu getrockneten Heuschrecken, den sog. Chapulines sowie eine große Auswahl an mole, einer Art Soße. Am bekanntesten in Oaxaca ist molo rojo, die aus Schokolade gemacht wird. Der Anteil der indigenen Bevölkerung ist in Oaxaca Staat und Stadt ungleich höher als in anderen Bundesstaaten Mexikos; an jeder Ecke sieht man sie, die oft buntberockten Indio-Frauen mit ihren langen, geflochtenen Zöpfen.

Nach fünf Tagen verabschieden wir uns schweren Herzens von Oaxaca und fahren weiter nach San Cristóbal de las Casas (gegründet 1528). Der Weg führt durch die Berge der Sierra Norte und langsam winden wir uns hinauf bzw. hinunter. Nach einem Übernachtungsstopp an der Playa Cangrejo in Morro Mazatán, wo wir fast allein sind (endlos langer Sandstrand am Golf von Tehuantepec, jede der vier Touristengruppen hatte ein Restaurant für sich allein) erreichen wir San Cristóbal de las Casas. Die Stadt liegt auf rund 2200m Höhe. Nach Sonnenschein am Tag und sehr angenehmen Temperaturen wird es am Abend rasch recht kühl. Die Stadt im Hochland vom Bundesstaat Chiapas ist eine Hochburg für Sympathisanten der Zapatisten, aber auch schon seit vielen, vielen Jahren touristischer Anziehungspunkt. In keiner anderen Stadt Mexikos haben wir soviele Indios (indigenas)gesehen wie hier und nirgendwo sonst scheint es soviele Indiodörfer zu geben wie in der Umgebung San Cristóbals. Außerdem gilt der Ort als Tor zu Palenque, jener Maya-Ruinen im Urwald, die unser nächstes Ziel sind.

Indigenas in San Cristóbal de las Casas

Hier noch einige Fotos mehr zu unserer kolonialen Mexiko-Reise:

1 Kommentar:

  1. nachts Schüsse... das erinnert mich an einen grauenhaften Campground in Anchorage, wo wir nachts wegen ähnlicher Zustände auch fast kein Auge zugetan haben. Verwöhnt von den naturbelassenen friedlichen Provincial-Park-CG war der die Hölle und wir sind auch lange vor Frühstück aufgebrochen...

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