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Aktueller Standort seit 07. Mai 2011: Wedel und Hamburg, Deutschland

Donnerstag, 6. Januar 2011

Ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk



Ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk habe ich dieses Jahr bekommen. Es war so toll, so klasse, dass mir richtiggehend flau im Magen wurde und meine Körpertemperatur anstieg. Das ungewohnte Essen vielleicht (die letzten Tacos, die wir an einem Straßenrand aßen, fand ich schon vom bloßen Angucken unappetitlich) oder vielleicht das – zugegebenermaßen – leicht bräunliche Duschwasser der letzten Unterkunft … Die Muskelschmerzen allerdings wollten nicht so recht zu einem verdorbenen Magen passen. Etwas besorgt wegen der Symptome beschlossen wir einen Arzt aufzusuchen und an der Hotelrezeption empfahl man uns das Hospital Privado, eines der wenigen privat geführten Kliniken, die als die Topadresse in Flores gilt. Bei unserer Ankunft sah das Gebäude ziemlich verlassen aus und wir schätzten unsere Chancen, auf medizinisches Personal zu treffen, nicht besonders groß ein. Die Klinik lag fast völlig im Dunkeln. Nur über der Eingangstür blinkte leuchtend bunt ein Rentier. Zögernd gingen wir in die weihnachtlich dekorierte Eingangshalle. Außer einem geschmückten Weihnachtsbaum, der uns ebenfalls anblinkte, herrschte gähnende Leere. Auf unser lautes „Hola“ hörten wir Schritte. Eine Frau rief uns freundlich ein „Adelante“ entgegen. Wir traten näher und wurden von der pummeligen Schwester (wir nahmen jedenfalls an, dass es eine war. Sie trug keine Schwesternkluft, sondern einen Jeansrock mit weißer Bluse und schwarzen Pumps) begrüßt und in eine Untersuchungskabine geführt. Nachdem wir kurz meine Symptome geschildert hatten sagte sie uns, der Arzt (der einzige?) würde sich gerade nach einem Kaiserschnitt erholen (waren wir in einer Geburtsklinik gelandet? Gab es sonst keinen Arzt?) und in ein paar Minuten kommen.

Die Wartezeit nutzten wir, um uns ein wenig in dem kargen Raum umzuschauen: hellblau gestrichene Wände, von denen an einigen Stellen die Farbe abblätterte, blaue Fensterrahmen, ein klapperiger Holzschreibtisch mit einem ebenso klapperigen Metallstuhl davor, ein kleiner metallener Medizinschrank, fleckiger Linoleumfußboden und z.T. angegraute Fliesen an den Wänden. Die Liege, auf der ich saß, war genauso verrostet wie der Infusionsständer daneben. Ganz ehrlich: so richtig vertrauenerweckend sah das nicht aus.

Der Arzt, Doctor Valle, ein Mittfünfziger, ziemlich lockerer Typ in Designer-Jeans, Polo-Shirt und Puma-Turnschuhen kam nach ungefähr 15 Minuten. Nochmals schilderte ich mein Befinden. Nach kurzer Untersuchung stand das Ergebnis fest: Amöben. Die kleinen Biester sind hier allgegenwärtig und halten sich bevorzugt im Wasser auf, weshalb es eben nicht ratsam ist, z.B. Salat zu essen. Fast jeder Guatemalteke hat sie.

Auch, wenn der erste Eindruck etwas schmuddelig war, so erwies der Arzt sich doch als kompetenter Vertreter seines Fachs und ließ keinen Zweifel an seiner Diagnose aufkommen. Die verschriebenen Medikamente wirkten sehr schnell und nach 3 Tagen gehörten die Beschwerden schon wieder der Vergangenheit an. Ob sich der Notfall, der zur gleichen eingeliefert wurde, als wir uns dort befanden, auch so schnell erholt hat?:

Als die Liege mit dem älteren Mann vom Rettungswagen herein gerollt wurde herrschte sofort richtiger Trubel in der Untersuchungskabine neben mir und zusammen mit dem Patienten kam auch gleich die ganze Familie mit, um dem Kranken beizustehen. Etwa 10 Personen hielten sich fortan vor den beiden Kabinen auf. Warum auch immer, die Vorhänge der Kabinen, die ja wahrscheinlich als Sichtschutz dienen, blieben offen, so dass jeder sehr genau mitverfolgen konnte, was gerade so beim anderen ablief. Dazu klingelten immer mal wieder diverse Handys, die meisten mit weihnachtlichen Klingeltönen wie „Jingle Bells“. Der Eingelieferte hatte vermutlich etwas falsches gegessen. Er hatte Schaum vorm Mund und bekam ein Brechmittel eingeflößt. Durch die räumliche Nähe zueinander konnten wir akustisch sehr genau mitverfolgen, wie sich das Gegessene seinen Weg aus seinem Körper wieder nach draußen bahnte, begleitet von heftigen Gurgel- und Würgegeräuschen. Dazu stieg ein säuerlicher Geruch auf, der den ganzen Raum einhüllte. Wir waren ziemlich froh, als wir uns recht bald verabschieden und die Rückfahrt ins Hotel antreten konnten. Na, dann: Merry Christmas!

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