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Aktueller Standort seit 07. Mai 2011: Wedel und Hamburg, Deutschland

Mittwoch, 22. Dezember 2010

El Paraíso

Für die einen ist es das Paradies, für die anderen ist es bloße Einfachheit. Die Rede ist vom Heim der Familie, auf deren Rasen wir in El Remate eine Nacht kampieren dürfen. Die kleine Rasenfläche befindet sich unterhalb des Hangs, auf dem die 9köpfige Familie inkl. Hund und Katze wohnt. Es gibt ein zweigeschossiges „Haupthaus“ aus Holz, gedeckt mit Palmblättern. Anders als der Essbereich haben die hier untergebrachten Schlafräume Wände aus Holz, die allerdings zum Dach hin offen sind. Das verspricht kühlende Luftzirkulation in den heißen Sommermonaten. Fenster gibt es nicht und die Türen sind durch einfache Vorhänge ersetzt, die leise im Wind wehen. In den Schlafräumen befinden sich je zwei Betten mit z.T. nackten Schaumstoffmatratzen. Lampen, Bilder oder Schränke haben wir nicht gesehen.


Nesthäkchen Marian, 4 Jahre

Der Essbereich wird von einem riesigen Tisch dominiert, um den sich Stühle, die aus ganzen Baumstämmen gehauen wurden, gruppieren. Es gibt nur ein Dach aus Palmblättern. Der Fußboden besteht aus gestampftem Lehm; an den Dachbalken hängen Dekorationen aus Kürbissen und getrockneten Früchten. Die Küche besteht aus einem Herd, auf dem in rußgeschwärzten Töpfen über offenem Feuer gekocht wird. Jeden Tag werden hier Maiskörner 45 Minuten weich gekocht, um anschließend zu einer Art Teig zerstampft zu werden. Von der Teigmasse werden bis zu 90 Maistortillas frisch hergestellt. Die Tortillas bilden eine wichtige Ernährungsgrundlage vieler Gualtemalteken. Dazu gibt es schwarze Bohnen, etwas Käse, Reis, dann und wann Kochbananen. Obst, Gemüse oder gar Fleisch fehlen fast das ganze Jahr auf dem Speisezettel. Auch Brot oder süße Aufstriche wie Marmelade sind einfach zu teuer, um sie täglich zu essen. Aus den Früchten des Ramon-Baumes stellt die Familie Mehl her, womit Kekse gebacken werden. Die getrockneten und gemahlenen Beeren werden als Kaffeeersatz verwendet. Allenfalls jetzt, zu Weihnachten, gibt es gefüllte Tamales (mit Fleisch oder Gemüse gefüllter Maisbrei, der in Bananenblättern gegart wird). Der Speiseplan ist einseitig; zu allen Mahlzeiten sonst werden die gleichen Dinge gegessen.


Blanca Nieves, 23 Jahre
  Das Brennholz stapelt sich in der Ecke neben dem Spülbecken, das auch als Waschstein für die Kleidung dient, die später über dem Gartenzaun zum Trocknen aufgehängt wird. Das Schmutzwasser fließt in ein Loch im gefegten Boden. Hinter der Küche befindet sich das „Bad“: 3 Holzverschläge mit 1 klapperigen Dusche sowie zwei Toiletten. Auch hier gibt es keine Tür, sondern nur Vorhänge. Die Porzellantoilette hat eine Spülung, doch wir haben besser nicht nachgefragt, wohin das Abwasser entsorgt wird. Etwa 2 Meter entfernt, unter freiem Himmel, ist auf einem Baumstumpf schief ein gesprungenes Waschbecken befestigt. Die Zahnbürsten der Familienmitglieder liegen direkt dahinter. Alles ist blitzblank, was uns ein bißchen überrascht. In Mexiko haben wir Armut oft in Zusammenhang mit Schmutz teilweise Verwahrlosung gesehen.

Die Familie lebt ein einfaches, bescheidenes Leben. Mit der Vermietung von Zimmern und Stellplätzen für Camper („Hostal y Camping El Paraíso“ gegenüber des Fußballplatzes) sowie dem Verkauf von Schmuck (aus Kokosnussschale gefertigt) wird das Einkommen aufgebessert. Das Geld reicht sicher hinten und vorne nicht und die Menschen sind für unsere Begriffe arm. Bis auf den ältesten Sohn leben alle Kinder noch zu Hause. Sie haben, außer der Schulausbildung, keine weitere Ausbildung genossen und die Aussichten, die Kinder zu fördern sind wegen der finanziellen Mittel schlichtweg nicht möglich.

Elias Bernabé, der jüngste Sohn
Wir haben die Gelegenheit gehabt einen Blick hinter die Kulissen zu werfen und ein klein wenig guatemaltekische Lebensverhältnisse kennen gelernt. Sie stehen sicher exemplarisch für viele andere. Blanca Nieves und ihre Familie hat uns Einblick gewährt in eine Welt, die wir so nicht kennen und uns kaum vorstellen können. Diese Welt ist arm an materiellen Dingen doch reich an Wärme, Gastfreundschaft und Herzlichkeit, angefüllt mit Stolz auf das (wenige) Vorhandene und Freude darüber, dass wir dort unser Lager aufschlugen. Mit den Worten „danke, dass ihr mein Land besucht!“ erhalten wir zum Abschied sogar noch eine kleine geschnitze Figur als Geschenk und sind ganz gerührt, als wir „El Paraiso“ hinter uns lassen.

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