Nach einigen Wochen im Hochland Mexikos – zuletzt 2200m hoch in San Cristobal de las Casas – neigen wir uns nun wieder dem Tiefland zu und wollen bis nach Palenque, im tiefsten Urwald Chiapas, hinunterfahren. Der Anteil indigener Bevölkerung ist hier besonders groß und die ersten sprachlichen Schwierigkeiten treten bereits kurz hinter der Stadtgrenze von San Cristobal auf. Die hier ansässigen Indianer sprechen oft nur ihre eigene Stammessprache, so dass Kinder für ihre Mütter übersetzen. Trotz allem klappt es mit der Verständigung. Schließlich haben wir auch noch Hände und Füße mit denen wir auf etwas zeigen können. Und - ein Lächeln sagt ja manchmal mehr als 1000 Worte!
Die Landschaft ist absolut toll, aber die Strecke ist mehr als kurvenreich und gespickt von allerlei Hindernissen: Topes ohne Ende, Erdrutsche, die komplette Fahrbahnen blockieren, zum Hang hin abgesenkte Straßendecken oder ganz abgebrochene Fahrbahnen, nicht zu vergessen die unzähligen Schlaglöcher. Besonders die Topes machen uns zu schaffen. Es sind sehr, sehr viele und z.T. sind sie so hoch bzw. steil, dass wir den Landy, gerade in Schwung gekommen, immer wieder auf 0 km/h abbremsen müssen, um sie dann behutsam überfahren zu können. Das kostet Zeit und vor allem Nerven. Das Spiel von Licht und Schatten auf der Straße macht es nicht einfacher, sich auf alle diese Un-Wegbarkeiten zu konzentrieren.
Indigenas im Hochland von Chiapas |
Die Dörfer, die wir passieren, sehen ärmlich aus inmitten üppiger, grüner Vegetation. Bananenpalmen haben Kakteen nun vollends abgelöst. Immer wieder sehen wir Brandrodungen, um die Feldflächen zu erweitern. Mütter in traditioneller Kleidung tragen Kinder in Tüchern auf dem Rücken, kleine Nackedeis spielen auf den Höfen, junge Mädchen weben, alte Männer sitzen schwatzend im Schatten der Hauseingänge, auf offenen Feuern, dessen Rauch über allem schwebt, rösten Maiskolben, in der Sonne trocknen Kaffeebohnen. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Apropos Zeit: auch hier hält der Winter inzwischen Einzug. Für uns bedeutet das, dass es bereits um 18.00 Uhr stockfinster ist. Wir müssen uns nun viel früher nach einem Platz für die Nacht umschauen und dieses Phänomen, das wir aus Deutschland kennen, verfolgt uns nun auch hier: der Tag hat nicht genügend Stunden! Wir schaffen einfach nicht alles, was wir uns vorgenommen haben.
Wasserfall von Agua Azul |
Ich: „Buenas tardes“
Fahrer, ca. 17 Jahre alt: „Buenas tardes“ (wobei er lässig seinen Arm aus dem Fenster hängt, Kaugummi kauend und mit cooler, dunkler Sonnenbrille)
Ich: “ Was ist passiert?“
Fahrer: “ Eine Blockade“
Ich: „Wer blockiert denn die Straße?“
Fahrer: “Meister“
Ich:“Aha. Was für Meister?“
Fahrer: “Na, Meister eben.“
Ich: ?-Blick
Fahrer: „Der Region“
Ich: “So, so. Was genau sind das denn für Meister der Region?“
Fahrer: “Von der Schule“
Ich: „Also Lehrer?!“
Fahrer: „Ja, genau die“
Ich bedanke mich für das ausführliche Gespräch und will mir den Ort des Geschehens doch lieber mal näher anschauen, um dort vielleicht etwas mehr zu erfahren. Im Zentrum der Blockade hocken 30, 40 Personen auf Baumstämmen, die quer über der Fahrbahn liegen, umringt von Passanten und Autos. Davor liegen Nagelbretter auf der Fahrbahn. Es scheint alles ganz friedlich zu sein, sieht aber auch nicht danach aus, dass es gleich weiter gehen würde. Was tun? Ich gehe zu einem kleinen Verkaufsstand der hier gerade aufgebaut wird und frage, wie lange die Blockade schon dauere. Die Antwort macht nicht gerade Mut: 2 Tage und das Ende sei nicht in Sicht, heißt es weiter.
Lehrer-Blockade kurz vor Palenque. Was tun? |
Inzwischen hat hinter uns ein Reisebus gehalten. Dann steigen Passagiere aus, Gepäck wird ausgeladen. Ein Strom von Menschen mit Koffern, Kisten, Säcken macht sich auf den Weg an uns vorbei in Richtung Blockade, um diese zu durchqueren. Im Gegenzug kommt ein Strom von der anderen Seite. Was ist los, wo wollen die hin? Auf beiden Seiten der Blockade kommt der Verkehr zum Erliegen, um aber sofort auf der jeweils anderen Seite wieder aufgenommen zu werden. Wie das? Die Fahrgäste der Privattaxen, Pickups und Busse, die auf der einen Seite der Blockadezone ihr Transportmittel verlassen um die Straßensperre zu Fuß zu durchschreiten,, was „erlaubt“ ist, steigen auf der anderen Seite in die frei gewordenen Fahrzeuge ein. So wird der Verkehr, wenn auch mit kurzer Unterbrechung und einem kleinen Fußmarsch, aufrecht erhalten. Alle sehen dabei völlig gelassen aus. Ist vermutlich nicht das erste Mal, dass sie so etwas mitmachen. Wir sehen nicht ganz so gelassen aus, denn auf der anderen Seite der Blockade wartet wohl kein anderer Landy auf uns. Was sollen wir tun? Wir stehen kurz vor unserem nächsten Etappenziel, können Palenque schon fast sehen, und stecken fest, weil ein paar frustrierte Lehrer eine Hauptverbindungsstraße besetzt halten. Mitten im Urwald von Chiapas, Rebellen-Gebiet, dicht an der guatemaltekischen Grenze und somit Drogenrevier, militärisches Kontrollgebiet und weit und breit kein Ausweg. So scheint es … Fortsetzung folgt ...
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