Aktueller Standort

Aktueller Standort seit 07. Mai 2011: Wedel und Hamburg, Deutschland

Dienstag, 29. März 2011

Isla de Ometepe



„Wollt ihr noch mit?“, ruft uns der Uniformierte am Hafentor von San Jorge entgegen, als er uns sieht. „Wenn ja, beeilt Euch, wir legen gleich ab“. Wir nehmen also die Beine in die Hand und Fred sprintet zum Häuschen der Hafenmeisterei, um die Hafensteuer zu entrichten. Danach geht es mit rasender Geschwindigkeit den Pier entlang und rauf auf die „Che Guevara“, eine der Autofähren, die auf dem Nicaragua See verkehren und die uns in einer einstündigen Fahrt nach Moyogalpa auf der Isla de Ometepe bringt. Wir sind froh, hier noch mitzukommen, denn es ist die letzte Überfahrt des Tages. Im Schein der untergehenden Sonne (mit einem fernsehschauenden Kapitän auf der Brücke) nähern wir uns eines der Wahrzeichen Nicaraguas. Die Insel Ometepe wird voll und ganz von ihren beiden Vulkanen Concepción und Maderas beherrscht, die im Abendlicht rötlich leuchten. Noch bevor wir in Moyogalpa anlegen sind beide von der Dunkelheit verschluckt. Wir beschließen im Hafen der Inselhauptstadt zu übernachten, klappen schon mal das Zelt auf und setzen uns auf eine nahe gelegene Bank, um dem abendlichen Treiben noch zuzuschauen, bevor es für uns „gute Nacht“ heißt. Ein Pferd läuft vorbei, doch wir können sein Interesse nicht wecken. Auch die Straßenhunde nehmen heute keine Notiz von uns. Bei näherer Betrachtung unseres Umfelds entdecken wir jede Menge Geschäfte und Lokale, deren Schotten bereits dicht sind und vor denen nach und nach Wächter Position beziehen. In dieser Nacht sind es sicher 10, von denen wir behütet werden!

Gegen 1 Uhr nachts werden wir geweckt. Es geht recht fröhlich zu auf dem Platz vor dem Land Rover, denn lautes Gelächter dringt durch unsere dünne Zeltwand. Wir schauen schlaftrunken nach draußen. Im Schein der einzigen funktionierenden Straßenlaterne stehen 8 Männer zusammen. Es sind die Nachtwächter, die, wohl um sich die Langeweile zu vertreiben, gegenseitig Anekdoten zum Besten geben. Während die Wächter fröhlich plaudern und offenbar ihren Spaß haben, haben wir nicht nur Mühe den Worten zu folgen, sondern auch den unterbrochenen Schlaf fortzusetzen.

Man hatte uns am Vorabend gewarnt. Der Hafenalltag beginnt früh. Gegen 5 Uhr am kommenden Morgen fahren die ersten Busse, die den öffentlichen Nahverkehr auf den beiden Inselhälften bestreiten, vor. Die ersten Inselbewohner wollen übersetzen auf´s Festland, um einer Arbeit nachzugehen, Einkäufe zu erledigen oder etwas von ihren Produkten auf dem Markt zu verkaufen. Die zunehmende Geräuschkulisse macht ein Weiterschlafen unmöglich. Auch wollen wir nicht in diesem Gewimmel, unter den Augen der Öffentlichkeit, frühstücken. Noch bevor die erste Fähre ablegt befinden wir uns auf dem Weg nach San Marcos. „Wo geht’s zum Seeufer?“, fragen wir an einer Straßenkreuzung die dort Stehenden. „Dort lang“, lautet die Antwort, so dass wir nach links abbiegen und uns kurz darauf auf der Gemeindeallmende wiederfinden. Hier ist nicht nur die öffentliche Badeanstalt und Wäscherei, hierher werden auch die Tiere zur Tränke geführt und das Wasser für den Haushalt geholt. Das lauschige Plätzchen gibt uns einen guten Einblick in das Leben des dörflichen Nicaraguas. Eine Kuhherde umringt uns und schnüffelt neugierig am Wagen. Das würden die Menschen, die sich zu früher Stunde bereits eingefunden haben, wohl am liebsten auch tun, zumindest ihren Blicken nach zu urteilen. Nicht nur wir sehen Interessantes, auch wir sind interessant für andere.


Wir beschließen inmitten dieser Kulisse zu frühstücken, um dem Treiben weiter zuzuschauen. Das, was wir hier erleben, findet vermutlich seit eh und je so statt. Kaum zu glauben. Wir fragen uns, ob wir wirklich im 21. Jahrhundert sind. Es kommt uns vor, als wären wir um 100 Jahre zurück versetzt. Dabei ist die Insel eines der touristischen Top-Ziele in Nica-Land (vielleicht genau deswegen), was sich in der großen Zahl Besucher sowie entsprechender Infrastruktur niederschlägt. Dennoch: Nirgends sonst kreuzen so viele Ochsenkarren unseren Weg, begegnen wir so zahlreichen Reitern und so wenigen Privatfahrzeugen (ausgenommen denen, die die Touris umherfahren). Die Vegetation ist üppig grün; es gibt viele Bananen-Plantagen und immer wieder schöne Ausblicke auf den See. Angeblich verfügt Isla de Ometepe über 78 Kilometern befestigte Straße. Wir finden an diesem Tag ungefähr 3 davon, was die Frage aufwirft, ob sich vielleicht ein Druckfehler in den Reiseführer verirrt hat.

Nach unserem Frühstück zuckeln wir langsam über zum Teil katastrophale Straßen an riesigen Mangobäumen vorbei, die ganze Allen bilden, immer begleitet von grandiosen Ausblicken auf den Vulkan Concepción. Ein tolles Erlebnis.


Wir essen in einem kleinen Restaurant am See zu Mittag, bevor wir uns auf den Rückweg machen. Der Tag ist sehr heiß und staubig. Ein erfrischendes Bad in einem Mineralwasser-Pool, soll uns die notwendige Abkühlung bringen. Wir besuchen Ojo de Agua, wo reinstes Wasser aus einer unterirdischen Quelle an die Erdoberfläche sprudelt, plantschen im angenehm temperierten Nass und dürfen hier sogar die Nacht verbringen, so dass der kommende Tag so beginnt, wie der vorangegangene endete: wir baden. Der Pool ist riesig, das Wasser glasklar, sogar kleine Fische sehen wir.


Am nächsten Morgen schauen Yerdi und Juana vorbei, die ihre Mutter zum Waschtag begleitet haben, denn das Wasser aus der Quelle gilt als das beste der ganzen Insel. Die beiden Kinder werden von uns mit Marmeladenbroten verwöhnt, während ihre Mama fleißig Wäsche sauberrubbelt. Der Berg Kleidung, der durch die abgearbeiteten Hände der Frau wandert, ist riesig. Einmal in der Woche kommt sie hierher, um mehrere Stunden hintereinander (3-4 Stunden), selbst bis zur Hüfte im Wasser stehend, die Kleidungsstücke einzuweichen, einzuseifen, zu rubbeln und zu wringen.

Nach 2 Inseltagen lockt das Festland wieder. Wir treten die Rückfahrt nach Moyogalpa an, wofür wir eine andere Route wählen. Siehe da, die bisher nicht gefundenen, restlichen 75 Kilometer befestigte Straße liegen vor uns. Der Reiseführer hatte also doch recht, was sich für uns natürlich als vorteilhaft erweist: wir kommen schneller voran, können unterwegs noch gemütlich zu Mittag essen und der Wagen staubt nicht so ein.

Nachdem wir vor dem Büro des Fähranbieters geparkt haben besorgen wir die Fährpassage und laufen gleich noch schnell rüber zur Hafenmeisterei, die nur 50 Meter entfernt ist, um die obligatorische Hafensteuer zu entrichten. Der Schalter ist geschlossen, Mittagspause. Wir beschließen, später nochmal wiederzukommen. Die Fähre fährt erst am späten Nachmittag und uns bleiben 3 Stunden Zeit, die wir nutzen, um uns den Ort anzuschauen. Als wir nach einer halben Stunde – länger dauert das nicht – zurück sind schauen wir nochmal bei der Hafenmeisterei vorbei, doch der Kollege ist noch zur Pause. „Na, macht ja nichts, ist ja noch Zeit bis zur Abfahrt“. Wir setzen uns in den Landy, trinken Kaffee und probieren es eine Stunde später abermals, die Steuer zu bezahlen. Wieder haben wir kein Glück. Die Mittagspause scheint heute länger zu dauern. Schließlich gelingt es uns erst kurz vor Abfahrt der Fähre, das Säumige nachzuholen. „Immerhin noch rechtzeitig“, wie der „Steuereintreiber“ auf unsere Frage, wo er denn die ganze Zeit gesteckt habe, knapp antwortet.

Gegen 16.45 Uhr legt die Fähre an. Sofort entspinnt sich ein reges Treiben auf dem Schiff sowie am Anleger. Während Passagiere und Fahrzeuge gleichzeitig versuchen die Fähre zu verlassen, formiert sich bereits eine Schlange Wartender, die die Fähre besteigen wollen, am Pier. Ein heilloses Gewusel beginnt. Es geht schlimmer zu als auf einem Ameisenhaufen, wobei man betonen muss, dass es sich um eine sehr kleine Fähre handelt und es eigentlich kein Problem darstellen sollte das Be- und Entladen zu organisieren. Eigentlich … Für den Mann, der dazu abgestellt wurde, genau das zu tun, scheint es sich allerdings um eine größere Herausforderung zu handeln... Jeder meint, der erste sein zu wollen und ist nur schwer vom Gegenteil zu überzeugen, auch nicht vom Uniformträger der Hafenmeisterei. In Nicaragua fällt uns diese Eigenart besonders auf. Die Menschen lassen wenig Rücksicht walten. Die eigenen Wünsche stehen oft im Vordergrund, dulden keinen Aufschub. Sei es, um laut Musik zu hören, womit gleich die ganze Nachbarschaft mitbeschallt wird, sei es, weil sich der Fischer morgens um 6 überlegt sein Holzboot abzuschleifen oder die Oma von nebenan die Schlager im Radio lauthals mitträllert, die kleine Kirchengemeinde fleißig neue Lieder einstudiert oder ein menschliches Bedürfnis drückt, so dass sich Erleichterung an Ort und Stelle verschafft wird (wir haben Männer mitten in der Stadt auf den Gehsteig pinkeln sehen). Was Andere möchten ist von geringerer Bedeutung, erstmal ich scheint das Motto zu sein. Was anderswo anstößig wirkt wird hier offenbar als nicht aufschiebbare Notwendigkeit betrachtet.

In den warmen Regionen Lateinamerikas, so auch in Nicaragua, findet ein Großteil des Lebens sowieso Draußen statt. Die Familien sind groß, die Wohnverhältnisse entsprechend beengt. Was liegt da näher als am Abend den Gehsteig oder einen Teil der Straße mit zu nutzen. Eins, zwei, drei stehen Schaukelstühle in der lauen Luft und schwuppsdiwupps ist das Wohnzimmer gleich doppelt so groß. Hier lässt es sich herrlich plaudern oder auch Mitverfolgen, was im Fernseher läuft, der oft so positioniert ist, dass man den Bildschirm vom luftigen Salon aus betrachten kann (nur der Ton muss dann etwas lauter gestellt werden). Das ist ganz normal und sehr beliebt.

Insbesondere in Nica-Land empfinden wir die Menschen als nicht mehr ganz so zurückhaltend, wir wir es in den Nachbarländern kennengelernt hatten. Während wir in Mexiko oder Guatemala die Leute regelrecht auffordern mussten näher zu kommen, kennt der Nica fast keine Hemmungen. Wie gesagt, die Großfamilie ist kein Fremdwort, der Wohlfühlabstand deutlich geringer als in Europa. Die Menschen rücken einem hier einfach auf den Pelz! So ist es vorgekommen, dass wildfremde Menschen die Motorhaube von Landy als Schreibunterlage benutzten, andere mit ihrem kompletten Oberkörper darauf lagen, den Kopf lässig auf die Hand aufgestützt oder den Wagen als Steighilfe benutzten, um eine Rampe emporzuklettern. Das ist etwas befremdlich. Ungezählt all die Menschen, die sich mal eben so am Wagen festhalten, wenn sie mit uns sprechen.


Jetzt hier am An- bzw. Ableger sehen wir uns einem ausgemachten Chaos gegenüber, dass kurz vor der planmäßigen Abfahrt des Schiffs um 17.30h seinen Höhepunkt erreicht: damit die Autos am Fahrziel am gegenüberliegenden Seeufer leichter die Fähre verlassen können sollen die Wagen rückwärts auf die Fähre fahren. Als alle Fahrzeuge richtig stehen und auf das Signal „rauffahren“ warten, wird diese Regelung kurzfristig geändert. Die Liegezeit der Fähre im Hafen von Moyogalpa droht kostenpflichtig zu werden. Um keine unnötig hohen Liegegebühren zu zahlen werden alle Autofahrer angewiesen vorwärts auf das Schiff zu fahren, „das geht schneller“. Den ungläubigen Blicken der jeweiligen Fahrer folgen Anfeuerungsrufe „rápido, rápido“. Nach erfolgreichen, neuerlichen Wendemanövern am Pier fahren die KFZ schließlich auf die Fähre, wo sie ihre Parkposition zugewiesen bekommen. Mit 10 Minuten Verspätung legen wir ab Richtung San Jorge.
Je weiter wir auf den See hinauskommen desto stärker bläst der Wind. Eben noch hungrig in ein Brot beißend wird uns durch den hohen Wellengang richtiggehend flau im Magen, so sehr geht es auf und ab. Das Abendbrot wird auf jeden Fall erstmal verschoben. Dafür suchen die Augen konzentriert den Horizont, was mit zunehmender Dunkelheit immer schwerer fällt, so dass das Flauheitsgefühl deutlicher zu Tage tritt. Die Wellen schlagen hoch, so dass die Fähre nur so schaukelt. Auch der Landy schwankt ziemlich, so sehr, dass sich bald ein Mitglied der Fährmannschaft am Bullenfänger zu schaffen macht: er versucht den Wagen an der Reling festzubinden, „damit er nicht umfällt“. Aus der gemütlichen, abendlichen Überfahrt wird also nichts. Wir sind nun nicht mehr nur mit unseren Mägen beschäftigt, sondern zudem bereitet das Schwanken des Wagens ein mulmiges Gefühl. Da die Fähre in der Hafeneinfahrt drehen muss steht der prekärste Teil der Fahrt noch bevor. Um ein Umkippen des Wagens zu verhindern soll er komplett vertäut werden. Dazu wird der Dachträger auserkoren. Unter heftigem Protest können wir verhindern, dass die Mannschaft die Taue um die Befestigung des Trägers schlingt, denn, so unsere Befürchtung, die Dachträger könnten abreißen. Auch dem Vorschlag einen Holm des Autos zu nutzen müssen wir widersprechen. Der Landy ist aus Aluminium konstruiert und ein Holm könnte sicher nicht 3 Tonnen halten, wenn der Wagen kippt … Wegen der tosenden Windgeräusche müssen wir schreien, was die Verständigung erschwert. Die Wellen schlagen über die Reling und nur mit Mühe können wir uns auf Deck auf den Beinen halten, die heftige Gischt tut ihr übriges. Die Hafeneinfahrt rückt näher, ohne dass wir eine Lösung haben. Angestrengt überlegen wir und hoffen, dass kein größeres Drama passiert. Schließlich halten 4 kräftige Männer den Wagen fest, als  der Kapitän zur Wende in der Hafeneinfahrt von San Jorge ansetzt. Dank ihres engagierten Einsatzes geht alles gut. Wir können Landy heil von der Fähre an Land fahren und sind froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.

3 Kilometer

„Warum nicht mal wieder ein bisschen gelbe Straße ausprobieren?“, überlegen wir, als wir nach vier Tagen Granada verlassen, um zur Isla de Ometepe zu fahren. „Gelbe Straße“ zu fahren bedeutet, dass wir nicht wissen wie die Straßenverhältnisse genau sein werden, was immer ein bisschen spannend ist. Laut unserem Kartenmaterial handelt es sich bei „Gelben Straßen“ um „geteerte oder ungeteerte Nebenstraßen oder sonstige Straßen“, was für Kartographen aussagekräftig erscheinen mag. Tatsächlich bewahrheitet sich der Straßenzustand in der Praxis. Um genau herauszufinden, was es damit auf sich hat, kommt man nicht umhin, sich auf eine solche Straße zu begeben. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass „Gelbe Straßen“ in gutem Zustand sein können (selten), meistens befinden sie sich in weniger gutem Zustand (mies und oft), aber man bekommt in der Regel viel von Land und Leuten zu sehen und wird durch unverwechselbare, nachhaltige Erlebnisse, die sich nur fern der gut ausgebauten Verkehrswege ergeben, belohnt. Wir beschließen also uns in den letzten Tagen in Nica-Land mal wieder ein wenig Abwechslung in unseren Fahreralltag zu bringen. Statt nach Süden, schlagen wir den Weg nach Westen, Richtung Pazifikküste zum kleinen Ort El Astillero, ein. Unser Zeitbudget sollte diesen kleinen Umweg verkraften, denken wir, als wir am späten Vormittag starten. Zunächst fahren wir einige Kilometer auf der legendären Panamericana, um dann nach Santa Teresa abzubiegen. An der Abzweigung soll die „Gelbe Straße“ beginnen, doch erstaunlicherweise sehen wir uns mit einer sehr guten Asphaltdecke konfrontiert. Das Abenteuer scheint heute nicht auf uns zu warten, was uns ebenso recht ist. Die Uhrzeiger bewegen sich munter auf Mittag zu und ein frühes Mittagessen am Strand wäre ja auch nicht schlecht, meinen wir, als wir Santa Teresa passieren. Nica-Land ist zweifelsohne sehr schön, bedeutet aber auch „Land ohne Hinweisschilder“, weshalb es zu einer eher lästigen Angewohnheit geworden ist alle paar Kilometer anzuhalten, um uns zu vergewissern, dass wir noch in die richtige Richtung fahren. Unser Kartenmaterial ist aktuell, jedoch fehlt hier schon mal die eine oder andere Route. Je weiter wir uns von städtischen Gebieten und von „Roten Straßen“ (Hauptstraßen) entfernen desto notwendiger wird die Maßnahme des Nachfragens, um sich nicht heillos zu verzetteln. An einer Kreuzung unweit Santa Teresas halten wir daher, um uns ein paar Hinweise auf den Weg bei ein paar Jungs, die hier gerade rumstehen, zu holen. Wir sollen immer geradeaus fahren, heißt es, was sich einfach anhört, weshalb wir es beherzigen. Im weiteren Verlauf entpuppt sich diese Aussage allerdings als irreführend. Wir stehen an einer weiteren Weggabelung; kein Schild weit und breit und auch kein Mensch, der uns hier zur Seite stehen könnte. Unserer Intuition – und dem Kompass folgend – bleiben wir stur auf der Straße, die geradeaus führt. Siehe da, die Asphaltdecke wird dünner, bis wir auf Schotter stehen. Also doch eine „gelbe Straße ungeteert“! Die Uhr zeigt 12.15 Uhr an, so dass wir uns innerlich schon mal von einem frühen Lunch am Meer verabschieden. Laut Karte ist es aber nicht weit zur Küste, in einer guten Stunde müssten wir es schaffen dort zu sein und Mittagessen kurz nach 13 Uhr ist ja auch noch o.k. Langsam fahren wir über die steinübersäte Sandpiste. Keine 50 Kilometer von Granada hat uns das Landleben längst wieder. Es gibt keine Steinhäuser mehr, nur hier und dort noch Holzhütten. Ein Meister hat sich daran nicht immer versucht, wie schief zugesägte Latten beweisen. Manche Hütte neigt sich gefährlich zur Seite, als drohe sie gleich zusammen zu fallen. Wir sehen keine Strommasten mehr, dafür einige Brunnen, aus denen mittels Handkurbel Wasser gefördert wird. Außerdem: der Weg wird schmaler und schlechter, vom Pazifik keine Spur, dabei müssten wir die Brandung bereits hören können.

13:15 Uhr: wir halten an einer dieser schiefen Hütten, die dann und wann aus dem trockenen, lichten Wald auftauchen und fragen die Bewohner nach der Entfernung zur Küste. „Es ist nicht weit“, lautet die Antwort. Wir wollen wissen, wie weit es ist. Unser Gegenüber kratzt sich nachdenklich die Stirn. Er überlegt angestrengt. Nach einiger Zeit scheint er mit seinen Überlegungen fertig zu sein und teilt uns mit: „3 Kilometer“. Wir sind etwas unsicher, ob diese Angabe stimmt, fragen lieber nochmal nach, in dem wir ihn bitten, uns einfach zu sagen, wie lange er zum Strand läuft. Die Miene des Bauern hellt sich auf und er sagt uns, dass er eine Stunde zu Fuß unterwegs sei. Hm, wir sind immer noch unsicher, ob das stimmt. Vorsichtshalber fragen wir nochmal nach. „Sí, sí“, beteuert er,“ mit dem Fahrrad dauert es 20 Minuten“. O.k., 1 Stunde zu Fuß, 20 Minuten mit dem Rad, das könnte hinkommen, wenngleich uns nicht klar ist, wie man auf dieser sandig-steinigen Piste überhaupt Fahrrad fahren kann. Der Aussage des Mannes nach zu urteilen könnten wir es schaffen zu einem späten Lunch am Meer zu sein. Auch gut, Hauptsache, der Weg wird nicht schlechter, denn inzwischen tasten wir uns vorsichtig über Unebenheiten unterschiedlichen Ausmaßes, was Höhe sowie Breite betrifft, weichen Felsbrocken, Steinen, Baumstämmen aus und müssen dabei darauf achten, dass der Lack nicht zu sehr von wild wachsenden Zweigen zerkratzt wird.


Wir nähern uns der 3. Flussdurchquerung für heute. In weniger als Schrittgeschwindigkeit schaukeln wir voran. Das Wasser ist an dieser Stelle glücklicherweise glasklar, so dass keiner von uns voraus laufen muss um die Wassertiefe und den Untergrund zu checken. Dennoch, die ersten Siedler, die diese Wildnis mit Planwagen erkundeten, waren sicher nicht langsamer. Im Wagen klappert und scheppert es bisweilen; das gesamte Gefährt befindet sich permanent in Bewegung. Immer wieder muss der Land Rover tiefe Absenkungen in der Piste meistern oder über Felsen klettern, die beim Bau des Weges nicht weggeschlagen wurden. Bei unserem Gewicht von fast 3 Tonnen, dazu die Hauptlast auf dem Dach, ist der Schwerpunkt sehr, sehr hoch, so dass der Landy immer mal wieder in extreme Schräglage gerät. Der Wagen ächzt nicht weniger als wir, denn es ist 35 Grad heiß, es staubt und der schmale Weg ist z.T. stark zugewachsen. Na prima, mal wieder eine Weggabelung, als wir an ebensolcher ankommen. Mal wieder stehen wir mutterseelenallein da. Welchen Umständen auch immer es zu verdanken ist wissen wir nicht, doch in Lateinamerika bleibt man nicht lange allein. Meist reichen ein paar Minuten aus, damit sich jemand blicken lässt. So auch hier. Während wir noch rätseln hören wir Pferdegetrappel und abbrechende Zweige. Ein älterer Mann kommt heran geritten. Wir müssen an die Worte von Rinus, selbst Traveller, denken: „wo ein Weg ist sind auch Menschen“. Wie recht er doch hat, wie gut es doch mitunter tut, jemandem zu begegnen, um sich erkundigen zu können.


Inzwischen ist es 14.15h. Der Reiter zeigt uns mehr, wohin wir fahren sollen, als dass er mit uns spricht. Seine Geste soll wohl heißen „weiter geradeaus“. Wir geben uns nicht damit zufrieden, fragen nach der Entfernung. „3 Kilometer“, sagt er, treibt sein Pferd an und verschwindet so schnell, wie er gekommen ist irgendwo hinter uns im Wald. Unser Magenknurren ist nicht mehr zu überhören. Wir entscheiden uns für eine Mittagspause, bevor wir uns durch die Wildnis weiterkämpfen. Es kann ja eigentlich nicht mehr weit sein, beruhigen wir uns, obwohl uns die Kilometerangabe des Reiters etwas stutzig gemacht hat, denn vor einer Stunde hieß es ja auch schon mal, es seien nur noch 3 Kilometer. Wir müssen daran denken, dass Latinos ungern zugeben etwas nicht zu wissen und dafür lieber irgend etwas erfundenes behaupten ...

Wir essen schnell, wollen keine weitere Zeit verlieren, denn zum Strand wollen wir an diesem Nachmittag auf jeden Fall noch kommen. Der Schweiß rinnt in Strömen, als wir wieder loszuckeln. Wir befinden uns inmitten von Trockenwald. Die knorrigen, trockenen Bäume stehen inzwischen dicht an dicht, die Zweige des Buschwerks am Straßenrand machen unangenehme Geräusche am Autolack, dass es nur so in den Ohren schmerzt. Zusätzlich müssen wir aufpassen, dass wir nicht aufsetzen, denn auch die Bodenfreiheit eines Land Rovers ist irgendwann zu Ende. Während Fred den Wagen langsam durch das Gelände manövriert steigt Rebecca immer wieder aus, um die tief herabhängenden Zweige der Bäume zu checken. Sind sie zu stark müssen wir ausweichen, falls möglich. Meistens klappt es und wir können uns an den Zweigen vorbeimogeln oder sie sind so weich, als dass sie der Dachbox und den darauf montierten Solarmodulen nichts anhaben können. Irgendwann aber geht es nicht weiter. Die Bodenfreiheit ist ausgereizt, der Wegrand links und rechts zu stark bewachsen und ein Ast hängt derart tief, dass wir nicht unter durch fahren können. Was tun? Der unwahrscheinliche Fall, dass unsere Machete zum Einsatz kommen soll, die wir uns in Mexiko zugelegt hatten, tritt ein. Es hilft nichts, der Ast muss ab. Nach einigen Minuten intensiver Hiebe auf den armdicken Ast kapituliert dieser schließlich. Wir sind inzwischen etwas genervt. Es ist 15:15 Uhr, das Licht wird bereits golden und kündigt damit an, dass der Tag allmählich zu Ende geht. In knapp 3 Stunden wird es dunkel sein. Wir haben nicht die geringste Ahnung, wo wir sind noch wie weit es ist, als sich uns ein junger Bursche nähert. Abermals fragen wir, abermals lautet die Antwort “3 Kilometer noch“. Wir schauen uns stirnrunzelnd an und fragen sicherheitshalber nochmal nach. „Ja“, sagt er, „ er sei sich gaaanz sicher.“ „Na gut, wahrscheinlich hat er recht, denn es kann auch nach unserem Gefühl nicht mehr weit sein.“ Wir geben Gas, so gut es der Untergrund zulässt. Längst haben wir aufgehört die Flussdurchquerungen zu zählen, so viele sind es auf dieser einzigen Strecke. Der Straßen-, oder besser Wegzustand hat sich so weit verschlechtert, dass wir ausschließlich im Geländegang fahren. Schon früher hatten wir diesen dann und wann zu Hilfe genommen, wenn es darum ging, besonders schwierige Abschnitte zu bewältigen, doch am Ende des Tages werden wir feststellen, dass wir mehrere Stunden im Geländegang unterwegs waren. Landy hat alle Hände voll zu tun uns durch diese Abgeschiedenheit zu bringen. Auch wir haben zu tun, mal stehen wir an einem Fluss, doch diesmal ist nicht zu erkennen, welche Stelle geeignet ist, um auf die andere Seite zu gelangen. Das Wasser ist trüb, so dass wir weder den Untergrund sehen können noch eine Ahnung davon bekommen, wie tief das Wasser ist. Wir denken an Rinus´ Worte und siehe da, ein Pick-up kommt angeholpert. Der hat´s gut, muss nur sein Leergewicht bewegen. Wir nutzen die Gelegenheit und sprechen den Fahrer an: „Faltan 3 kilómetros“, lautet die knappe Antwort, sagt´s, gibt Gas und holpert davon. Ach was ,gibts hier irgendwo eine versteckte Kamera? Die Uhr zeigt 16:15 Uhr. Ein Blick auf unsere Karte bringt auch jetzt keine Erhellung. Zum Umdrehen ist es längst zu spät. Es bleibt nichts anderes übrig, als weiterzufahren. Immerhin wissen wir, dass das Flussbett befahrbar ist. Früher oder später werden wir schon irgendwo ankommen. Die Hoffnung haben wir noch nicht aufgegeben, versuchen uns gegenseitig aufzumuntern, was aber nur noch halb gelingt. Der Wagen ist komplett eingestaubt, da hätten wir uns die Autowäsche in Granada sparen können. Der feine Staub dringt durch jede Ritze ein. Wegen der Hitze müssen wir die Fenster öffnen, wenn wir selbst nicht zerfließen wollen und natürlich sind auch wir längst staubverkrustet. Landy schaukelt weiterhin durch das unwegsame Gelände und wir sind mächtig stolz, wenn man das so sagen darf, auf unser treues Reisemobil, das auch hier wie eine Nähmaschine schnurrt. Die Straße ist weiterhin knochentrocken, von Furchen, Rillen und Buckeln übersät. Gar nicht so einfach, den optimalen Fahrweg zu finden, wobei die Entscheidung durch die Enge des Weges oft abgenommen wird. Um 17:15 Uhr erreichen wir abermals eine Holzhütte. Davor schaukelt ein Mann in einer Hängematte und schaut uns gleichmütig an, als wir näher kommen. Wir halten. Wir fragen, zum x-ten Mal an diesem Tag. Zum x-ten Mal erhalten wir eine Antwort. Sie lautet – und das ist nicht gelogen - „noch 3 Kilometer“. Wir bedanken uns, können uns ein Lachen aber nicht mehr verkneifen. Nun sind auch wir gleichmütig, fahren stur weiter, es nützt ja nichts. Was hatten wir erwartet? Die Richtung zumindest stimmt, denn unser Kompass lügt nicht.

Eine halbe Stunde später glauben wir unseren Augen nicht zu trauen. Der Weg wird nicht nur breiter, es gibt ein Schild. Darauf steht „Ecolodge und Camping“. Hinter dem Schild steht eine Holzhütte und hinter der Holzhütte öffnet sich der Strand zum Meer hin. Am Horizont versinkt glühend rot die Sonne im Pazifik. Wir sind da. Der Mann in der Hängematte hatte ausnahmsweise recht.


P.S. 1: Neben „Gelben Straßen“ weist unsere Karte „Rote Straßen“ auf. Diese sog. Hauptstraßen sind immer geteert. Daneben existieren „Gestrichelte Linien“, die im Glücksfall bessere Eselspfade sind (einfache Schotterpisten, meist einspurig).

P.S. 2: Warum haben wir eigentlich kein Navi dabei? Weil´s oft nix nützt, denn viele Regionen in Lateinamerika sind kartographisch noch gar nicht erfasst. Insbesondere die nicht-touristischen Orte.



Dienstag, 22. März 2011

Hunde

Wir begegnen tagtäglich Hunden. Viele werden als Wachhunde eingesetzt, um Haus und Hof ihrer Besitzer zu schützen, was sie bereitwillig tun. Nächtens aktiv, dösen sie tagsüber im Schatten der Bäume, sind mehr als brav und man kann sich nicht im geringsten vorstellen, das sie nachts zu wahren Kläffern mutieren, die die komplette Nachbarschaft um den Schlaf bringen.


Die meisten Vierbeiner leben herrenlos auf der Straße, wo sie sich auch unkontrolliert vermehren.


Vor allem die Straßenhunde sind auf Essensreste angewiesen. Sie ernähren sich mehr schlecht als recht von dem, was sie finden, irgendwo klauen oder was freundliche Menschen ihnen vorwerfen. Kein Mülleimer, keine Abfalltüte ist sicher vor ihnen.

Kaum kommen wir auf einen Stellplatz scharen sich auch schon 2, 3 Hunde um uns in der Hoffnung auf etwas Essbares. Meist genügt es, mit etwas Plastik zu knistern, was dem feinen Hundegehör garantiert nicht entgeht und die Streuner stehen regelrecht Schlange. Natürlich fällt bei solchen Gelegenheiten dann und wann etwas aus dem Landy und wird meist direkt aus der Luft aufgeschnappt.


Gewohnt, mit Steinen beworfen zu werden, genügt schon eine ausholende Armbewegung und der Vierbeiner, den Schwanz fest zwischen den Hinterläufen eingeklemmt, nimmt reißaus.

Die Hunde geben ein bemitleidenswertes Bild ab. Die meisten sind unterernährt, bis auf die Knochen abgemagert, krank, haben Ekzeme und manchen ist bereits das Fell komplett ausgegangen. Alle haben Ungeziefer. Sie kratzen sich fortwährend, sind einsam und unglaublich dankbar, wenn man ihnen einigermaßen freundlich entgegentritt. Bei vielen Hunden haben wir den Eindruck, dass sie einfach nur mal gestreichelt werden wollen.


Jeder einzelner würde wahrscheinlich einen sehr treuen Begleiter abgeben. Einige würde man am liebsten einpacken und mitnehmen ...


Donnerstag, 17. März 2011

Granada

Das Turicentro am Ufer des Nicaragua Sees - nur einen Kilometer vom Stadtzentrum Granadas entfernt – bietet eine ganze Reihe Annehmlichkeiten: Sandstrand, schattenspendende Bäume, kühlendes Nass, Spielgeräte für die Kleinen, Bootsausflüge zu den Isletas, Bars und jede Menge Restaurants, die um die Gunst von Besuchern ringen. Die Lage ist zweifelsohne toll. Der Blick geht weiter über den See und die – zum Teil recht steife Brise – lässt den Eindruck entstehen man befände sich am Meer. Erstaunlich, dass hier kein Wassersport stattfindet. Doch so richtig wohl fühlen wir uns nicht, als wir hier unser Lager gegenüber eines Restaurants aufschlagen. Der Besitzer ist zwar unglaublich freundlich, bietet uns neben dem Stellplatz auch die Restauranttoiletten an, aber es ist alles ziemlich schmuddelig. Granada, das mit 110000 Einwohnern ja nicht gerade eine Kleinstadt ist, bekennt sich offen zu den ländlichen Seiten. Anders ist es nicht zu erklären, dass mitten im Stadtgebiet, keine 500 Meter vom zentrum entfernt, Ziegen weiden, Kuhherden herumlaufen und Pferde ihre Kreise ziehen. Wir beobachten das auch in anderen Regionen. In Nicaragua, so scheint es, leben Mensch und Tier nicht nur eng beieinander. Tiere sind allgegenwärtig, auch die großen. Es gibt sehr viel Viehzeug, da dann auch mal muss - saufen, grasen, von A nach B oder einfach nur müssen. Hinterlassenschaften zu begegnen ist daher ebenso häufig wie abruptes Abbremsen, weil gerade mal wieder eine Herde Kühe die Straßenseite wechselt (ohne vorher zu gucken) oder der Ochsenkarren geschwindigkeitsmäßig eben nicht mit den PS-starken vierrädrigen Gefährten konkurrieren kann.
Der unscheinbare Wächter des Restaurants, der von uns ein zusätzliches Trinkgeld erhält, damit er ein Auge auf uns hat, schmälert das unwohle Gefühl auch nicht gerade. Viele „unserer“ Securities, die wir immer auch gerne mit etwas Kleingeld bedenken, wirken nicht immer wie ausgesprochene Helden. Oft fragen wir uns, ob der vermeintliche Schutz, der uns durch die sog. guardias gewährt wird, nicht ein Pseudo-Schutz ist. Beruhigter schlafen lässt es sich dennoch. Der See selbst lädt nicht unbedingt zum Baden ein. Es soll vereinzelt Haie dort drin geben, vor allem aber schreckt uns das, was wir anderntags bei unserem Spaziergang ins historische Zentrum sehen: übelriechende Flüssigkeiten plätschern in Gräbern Richtung Wasser. Nein danke, wir verzichten, beschließen in ein Hotel umzuziehen. Im El Maltese, ebenfalls am Seeufer gelegen, werden wir fündig. Landy hat seinen sicheren Parkplatz, wir sind die einzigen Gäste. Granada, la bella, zeigt sich touristisch-schön. Entsprechend teuer ist die Stadt; sehr sauber und gepflegt. Der Müll wird nicht nur abgeholt, er wird auch getrennt!: die am Straßenrand abgestellten, fest verschlossenen Mülltüten werden von einem Mitarbeiter der Müllabfuhr auf den vorbeifahrenden Müllwagen geworfen. Dort oben warten 4 Kollegen, die jede Mülltüte in Empfang nehmen, mit bloßen Händen aufreißen, den Inhalt auf einen großen Haufen leeren und in Handarbeit beginnen organisches Material von unorganischem zu trennen, Metalle in eine Ecke der Ladefläche zu werfen, Plastik und Glas jeweils in eine andere. Das passiert in rasender Geschwindigkeit, ohne besondere Arbeitskleidung oder Sicherheitsmaßnahmen.

Mülltrennung a la Nica

Die vielen kolonialen Gebäude in Granada beherbergen Geschäfte und Restaurants. Es macht Spaß mal wieder etwas urbanes Leben zu erleben. Nach Herzenslust bummeln, italienisch essen gehen (tolle Pizza), am Pool abhängen, den Pferdekutschen zuschauen. In der French Bakery können wir es uns nicht verkneifen Croissants zu kaufen und auch das herrliche pan integral wandert in unseren Einkausbeutel. So ein guter Bäcker spricht sich natürlich rum, weshalb wir hier Peter und Ursula aus der Schweiz begegnen, selbst auf dem Weg nach Feuerland.

Prachtstraße La Calzada
Wir besuchen das alte spanische Fort, das eigentlich wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist, doch der Wächter lässt uns gegen ein kleines Entgelt trotzdem hinein. Dort drinnen tummeln sich 10 Kinder, die irgendwie alle miteinander verwandt sind und staunen nicht schlecht, als sie erfahren, dass wir mit einem großen Flugzeug nach Amerika gekommen sind. Wichtiger aber ist den Kleinen der Fußball, der, wie überall auf der Welt, auch in Nicaragua (neben dem beliebten Baseball-Spiel) eine große Fangemeinde hat. So klein die Kinder auch sind: dass Deutschland eine (gute) Fußball-Equipe hat wissen sie längst, mehr noch aber interessiert sie, ob wir Messi gut finden …

Granada ist auch Sitz mehrerer Zigarrenfabriken. Die edlen Blätter wachsen im Norden des Landes und werden hier zu Rauchwaren weiterverarbeitet. In Handarbeit schafft ein Mitarbeiter 300-600 Zigarren täglich und wir dürfen auch mal selbst eine drehen ...

Zigarre - selbst gedreht
Noch interessanter ist für uns der Schokoladen-Workshop, den wir besuchen. Zusammen mit 2 Schweizern lernen wir Schokolade herzustellen. Zunächst rösten wir die Kakaobohnen über offenem Feuer, befreien sie von ihrer Schale und zerstoßen sie anschließend im Mörser zu sog. Paste. Nach 2 Stunden Kühlschrank halten wir stolz unsere Tafeln in Händen und können es kaum erwarten, sie zu probieren. Köstlich!
Ein süßes Vernügen Schokolade herzustellen
Da zuviel Süßes bekanntlich dick macht tauschen wir am folgenden Tag den Wagen gegen Räder, um die Halbinsel Asese zu erkunden. Heiß ist´s und staubig. Mehrere Male überholen uns Autos, ein Bus ist auch dabei und wir fühlen uns bald schweißverklebt und eingepudert vom ständig aufwirbelnden Straßenstaub. Nicht nur wir benötigen eine Wäsche nach diesem Ausflug. Ein Blick auf den Landy, als wir wieder im Hotel sind, verrät eindeutig: auch er hat es mal wieder nötig. Also ab in die Autowäsche, die hier immer per Hand erfolgt.

Politur für Landy
Der Bursche, dem wir den Wagen anvertrauen, schaut nicht schlecht, als wir vorfahren. Für den Preis fragt er sicherheitshalber erstmal bei seiner Chefin nach. 50 Cordobas zahlen wir, umgerechnet €1,60. Wir lassen uns in der angrenzenden Kaffeebar nieder und schauen zu, wie sich 3 muchachos um unser Auto kümmern. Der Landy wird großzügig mit Wasser überschüttet, gründlich eingeschäumt, wieder abgespült und zu guter Letzt trockengerubbelt. Nach 30 Minuten blitzt und blinkt der Wagen wie neu, sogar die grüne Farbe ist wieder erkennbar. Natürlich ist es interessant mehr von uns zu erfahren. Schnell füllt sich der Kreis um uns, dem wir bereitwillig Auskunft geben. Die Zuhörerschaft ist inzwischen auf 10 Personen angewachsen, als wir erzählen, dass die Verschiffung des Autos ca. 4 Wochen dauert. Das hat wohl niemand hier vermutet, denn wir ernten ein raunen, begleitet von anerkennendem Pfeifen. Huch, Deutschland ist ja ganz schön weit weg!

"... so heiß ...

„... wie ein Vulkan und heut` verbrenn` ich mich daran.“ Der Liedtext von Tony Holiday kommt uns sofort in den Sinn, als wir die Beschreibung zum Parque Nacional Volcán Masaya im Reiseführer lesen. Unsere Neugier und unser Entdeckerdrang ist auch nach 8 Monaten noch ungebremst. Nichts wie hin also und einmal selbst nachschauen, was es mit dem Masaya auf sich hat.

Es ist mal wieder absolut perfektes Wetter. Die Sonne scheint von einem wolkenlosen, stahlblauen Himmel herab, als wir, aus Managua kommend, die Einfahrt zum Nationalpark nehmen. 100 Cordobas (30 Cordoba = ca. 1 €) kostet der Eintritt. Weitere 200 Cordobas bezahlen wir für eine geführte Tour, die am Nachmittag beginnt und weil wir im Park übernachten werden 100 Cordobas als Campinggebühr fällig. Von diesen insgesamt 400 Cordobas erhalten wir 200 Cordobas zurück, weil wir die Tour buchen. Das freut uns natürlich, obwohl der Rückerstattungsprozess uns etwas verwirrt. Wir fragen uns, warum wir überhaupt erstmal 400 Cordobas blechen, wenn wir die Hälfte davon sowieso wieder bekommen!? Der nun folgende, 30 Minuten dauernde Verwaltungsakt trägt nur unwesentlich zur Erhellung bei. Offensichtlich ist diese bürokratische Maßnahme aber unumgänglich und erst nach Ausfüllen eines Formulars, einer Quittung mit 2 Durchschlägen sowie 2 Telefongesprächen, dürfen wir das Geld in Empfang nehmen. Übrigens von dem Parkmitarbeiter, der uns ganz am Anfang 200 Cordobas Eintrittsgeld abgeknöpft hatte. So ist Nicaragua. Nicht immer verständlich, manchmal lustig, manchmal zum Haare raufen.
Wir fahren durch ausgedehnte Lavafelder über eine gut ausgebaute Straße. Immer höher schrauben wir uns den Vulkan hinauf und können es kaum erwarten, ihn aus der Nähe zu sehen. Oben, unmittelbar am Rand des rauchenden Kraters angekommen, parken wir, wie uns geheißen, rückwärts ein. Damit man schneller wieder loskommt, wenn´s gefährlich wird. Kaum steigen wir aus, sehen wir helle Rauschwaden hinter der Absperrmauer aufsteigen. Es riecht nach Schwefel. Wir treten näher an die Absperrung heran und blicken in den riesigen Krater des Vulkans Santiago, der hier so munter aktiv ist. 20, max 30 Minuten soll man sich bei starker Geruchsentwicklung hier oben aufhalten. Danach droht … keiner weiß es. Das Hinweisschild gibt dazu keine weiteren Auskünfte. Angenehm scheint es nicht zu sein, sich mit Schwefeldämpfen zu vergiften. Dieses Naturschauspiel ist natürlich nicht einzigartig auf der Welt. Einzigartig aber ist wohl, dass man in Nicaragua mit dem eigenen Wagen bis an den Kraterrand heranfahren kann. Bei unserer geführten Tour erfahren wir, dass es neben dem Santiago noch weitere Krater hier gibt, von denen wir uns einige aus der Nähe anschauen, um dann in einen Lavatunnel, der einst als Opferstätte der hier ansässigen Chorotegas diente und heute Heimat von Fledermäusen ist, hinabzusteigen. Die Spanier glaubten übrigens, dass der Schlund, aus dem am Abend das rote Leuchten der glühenden Lava zu sehen ist, ein Eingangstor zur Hölle darstellt. Schnell stellten sie ein Kreuz auf, um die bösen Dämonen gefangen zu halten. Ob es etwas genützt hat?

Ananas zum Nachtisch

Was ist denn das, was hier so zahlreich wächst? Ganze Felder stehen voll mit diesem komischen Gewächs, das rötlich in der Sonne schimmert. Zwischen den Blättern wächst was, dass sich bei näherer Betrachtung als Frucht erweist. Als wir näher an das riesige Feld heranfahren ahnen wir bereits, um was es sich handeln könnte: Wir sind mitten im Ananas-Anbaugebiet gelandet. So weit das Auge reicht wachsen die leckeren Früchte, reifen zu saftig-süßen pinas, wie sie hier heißen, heran, um dann auf den Märkten angeboten zu werden. Wir können es uns nicht verkneifen eine der Früchte zu kaufen und halten kurzerhand an einem Haus, eingebettet von Ananaspflanzen, an. Als wir unseren Wunsch äußern läuft sofort ein Junge los und holt uns eine reife Frucht direkt vom Feld. Wir fragen nochmal nach, ob sie auch wirklich schon reif ist und er versichert uns, dass das der Fall ist. So sehr wir uns über das Obst freuen, so sehr erschrecken uns die dreckigen Kleider der Familie, vor allem die schmutzigen Kinder.
Die Leute leben seit Monaten ohne Wasser. Der Hahn wurde zugedreht bzw. die Leitung ist marode, wie sie uns traurig berichten. Kaum zu glauben, denn ein paar Kilometer weiter befindet sich eine kleine Naturreserve, die unser eigentliches Ziel an diesem Tag bildet (Reserva Natural El Chocoyero-El Brujo). Dort gibt es einen Wasserfall, der Trinkwasser für die umliegenden Gemeinden liefert. Da auch unser Trinkwasser bald zur Neige geht können wir selbst nichts entbehren. Immerhin findet sich eine Packung Feuchttücher die wir da lassen, damit wenigstens die Kinder nicht mehr mit einem schmutzverkrusteten Gesicht herumlaufen müssen.
Der Weg führt weiter durch die Ananas-Plantagen. Menschen, die uns in Nicaragua begegnen grüßen mit Adios (auf Wiedersehen), was uns anfangs wundert. Aber hier ist man der Meinung, dass man bei zufälligen Begegnungen, die die Menschen nur aneinander vorbeiführen, man also nicht stehenbleibt, um ein paar Worte zu wechseln, ein auf Wiedersehen genauso angebracht ist wie ein Hallo. Auch was dran!
Nach den vielen Stunden, die wir beinahe täglich im Auto unterwegs sind, freuen wir uns auf ein wenig Bewegung. Die Wanderschuhe werden aus den Kisten geholt, die Rucksäcke mit reichlich Wasser und Proviant gefüllt. In freudiger Erwartung entrichten wir die Parkgebühr und stratzen schon mal los als uns die freundliche Rezeptionistin zurückpfeift. Halt Stopp, da war doch was. Na, klar der obligatorische Guide fehlt. Das ist so eine lateinamerikanische Eigenart, die wohl eine Mischung aus Arbeitsbeschaffungs- und Schutzmaßnahme (fehlende Schilder, gefährliche Tiere, Unfälle, Überfälle) bildet. Kein Parkbesuch, keine Wanderung ohne Führer. Es kostet uns einige Überredungskunst, sowohl die Rezeptionistin als auch den Guide, der natürlich sein Einkommen flöten gehen sieht, zu überzeugen, dass wir den Weg schon finden werden. Am Ende klappt´s. Wir bezahlen den Guide und während er den Nachmittag frei macht betätigen wir uns zur Abwechslung endlich mal wieder sportlich.
Angeblich der komfortabelste Campground in Nica-Land
Durch den Nationalpark verlaufen drei Wanderwege unterschiedlicher Länge (1,2 km, 1,5 km und 3,5 km), die zu besagtem Wasserfall führen. Wir entscheiden uns für den längsten Weg und sind nicht wenig erstaunt, als wir nach einer halben Stunde wieder am Parkeingang eintreffen. Der Guide, der uns vor unserem Abmarsch noch eine kurze Übersicht zu den verschiedenen Wegen gab, hatte sich mit den Distanzen wohl etwas vertan (was im allgemeinen recht häufig vorkommt). Am Ende des Nachmittags haben wir alle drei Wege erfolgreich bewältigt. Wir haben Howler Monkeys und Congo Monkeys gesehen und wären zu gerne auch auf eine lebende Variante der im Visitor Center ausgestellten Schlangen gestoßen. Die Reptilien aber hielten es wohl für besser uns aus dem Weg zu gehen. Übrigens soll sich hier in El Chocoyero der komfortabelste Campingplatz der Nation befinden. Wir sind natürlich sehr gespannt darauf. Es wäre der erste Campground in Nicaragua, den wir finden. Unsere Enttäuschung über diesen sog. Campingplatz hält sich in Grenzen. Wir hatten nicht wirklich etwas anderes erwartet als das, was wir schließlich vorfinden und mit einem Lächeln zur Kenntnis nehmen. Spontan verzichten wir darauf, uns andere sog. Campgrounds anzusehen.
Am Ende unseres Rundgangs haben wir noch Zeit über, bevor das große Naturspektakel, wofür der Park bekannt ist, anzuschauen. Wir hocken geschlagene 2 Stunden vor den Löchern einer hohen Felswand, in die gegen 16.30 Uhr Hunderte von Chocoyeros (grüner Pazifikpapagei) zurückkehren sollen, um hier die Nacht zu verbringen. Die lauten Vögel können wir zwar hören, einige sehen, doch nur nur wenige wollen ihr Nest aufsuchen. Tapfer harren wir aus, doch irgendwann ist unser Hungergefühl größer als der Wunsch, den Heimflug der Papageien zu beobachten, weshalb wir uns entschließen zum Wagen zurück zu gehen. Zum Abendessen braten wir Chuletas, die lateinamerikanische Variante des Kasslers und zum Nachtisch gibt es die beste Ananas, die wir jemals in unserem Leben gegessen haben.
Last but not least treffen wir hier rein zufällig den EU-Botschafter für Nicaragua und plaudern ein wenig miteinander. Da die EU auch in den Nachbarländern Costa Rica und Panama Vertretungen unterhält wandert mal eben eine Visitenkarte mehr zu uns, mit dem Hinweis: „Falls was sein sollte, gerne melden!“. Ein sehr netter Mensch, der Herr Botschafter.

Freitag, 11. März 2011

Leon

Leon, 1610 vom Vulkan Momotombo zerstört und an anderer Stelle neu aufgebaut, zeigt sich heute als Kolonialstädtchen mit immerhin fast 140.000 Einwohnern. Die Gegend hier gilt als die heißeste in Nicaragua. Wie gut, dass der Strand (Las Penitas) nur 20 Kilometer entfernt ist, weshalb wir uns entschließen hier Quartier zu beziehen. Wir haben Glück, können ein Hotel sparen und lassen uns auf einem privaten Grundstück nieder. Neben uns wird es von den Tieren der Nachbarschaft aufgesucht. Wir zählen Hühner, Hunde, Katzen, Schweine, im Bad wohnen Frösche. Auch die Nachbarskinder tauchen auf, um ihre Nasen neugierig ins Auto zu stecken. Hätte das Grundstück keinen Zaun bekämen wir wohl auch Kuhbesuch. Das ländliche Nicaragua eben, inklusive Meerblick – vom Dachzelt aus!


Nicaraguas Pazifikküste gilt als Toprevier für Surfer und Las Penitas ist ein sog. hot spot. Allzuviele Wagemutige kennen die Wellen in diesen Tagen allerdings nicht. Wir beobachten ganze 3, die sich im Wellenreiten versuchen, während sich die Masse mit den, noch immer überwältigenden, Wellen in Strandnähe amüsiert. Der weitläufige, mehrere Kilometer lange Sandstrand lädt zu ausgedehnten Spaziergängen ein und bietet obendrein atemberaubende Sonnenuntergänge.


Das städtische Nicaragua erleben wir in Leon. Berühmtester Sohn der „kulturell reichsten Metropole in Nica-land, wie es im Reiseführer heißt, ist wohl der Poet Rubén Darío. Ihm ist ein ganzes Museum gewidmet. Innerhalb der City begegnet man ihm immer wieder in Form von Statuen; oft diente er auch als Namensgeber für Büchereien, Apotheken oder sonstiges.

Neben den zahlreichen Kirchen (geschätzt irgendwo zwischen 20 und 30) ist vor allem die Kathedrale an der Plaza Mayor sehenswert. Aber auch die Restaurant- und Kneipenszene sowie die Einkaufsmöglichkeiten sind sehr gut.

Leon zu besuchen bedeutet auch, sich mit dem nicaraguanischen Straßensystem vertraut zu machen. Das von den Spaniern mitgebrachte und eingeführte Schachbrettsystem teilt die Stadt in sogenannte cuadras (Quadranten oder Blöcke) ein. Die Orientierung fällt damit relativ leicht, wird allerdings dadurch erschwert, dass häufig nur große bis größere Straßenzüge mit Schildern gekennzeichnet sind und man sich in Leon dafür entschieden hat, zusätzlich mit Himmelsrichtungen zu agieren: in Leon laufen die Avenida Central und die Calle Central Rubén Darío zu einer Intersektion an der nordöstlichen Ecke des Zentralparks zusammen. Hier bilden sie die nordöstliche, nordwestliche, südöstliche und südwestliche cuadra (Quadrant oder Block). Straßen, die parallel zur Straße Calle Central Rubén Darío verlaufen erhalten den Zusatz NO für Nordost, sofern sie nördlich davon verlaufen und SO, wenn sie südlich dazu liegen (z.B. Calle 1 NO, Calle 2 SO bedeutet nichts anderes, als dass es sich um die 1. Straße nordöstlich zur Calle Central Rubén Darío handelt).
Alle Straßen, die hingegen parallel zur Avenida Central verlaufen werden mit Av 1 SW (1. Straße südwestlich von der Straße Central) oder Av 1 SW (1. Straße südwestlich von der Straße Central). Dieses Muster zieht sich durch das gesamte Stadtgebiert. Alles klar?
Da es an Straßenschildern mangelt zählen wir immer fleißig mit, um unsere Ziele innerhalb der Stadt zu erreichen.



Da wir seit unseren Einkäufen in Selva Negra und El Castillo fleißig Käse und Schokolade gefuttert haben, ist im Kühlschrank gerade wieder soviel Platz, dass wir es uns nicht nehmen lassen, in einem Feinkostladen echte italienische Salami zu kaufen. Wie gut, dass Paz y Pan französisches Brot bereit hält und auch noch etwas vom honduranischen Wein, den wir bei Jörg in El Rosario erstanden haben, übrig ist. Gewusst wie und wo, lässt es sich gut in Lateinamerika leben!





Ein bisschen Schwarzwald


Unsere Fahrt durch die Naturreserve Miraflor führt uns schließlich nach San Rafael del Norte. Das einzig bewohnbare Hotel im Ort, welches über zwei Zimmer verfügt (ein Doppel-, ein Einzelzimmer) ist ausgebucht. Nach einigen Verhandlungen dürfen wir schließlich den Hotelparkplatz benutzen. Der befindet sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite und ist zum Glück nicht einsehbar, so dass unsere „Hausdusche“ gefahrlos zum Einsatz kommen kann. Die beiden Attraktionen des Ortes sowie der Ort selbst mit seinen vielen vierbeinigen Verkehrsteilnehmern sind am folgenden Tag schnell besucht: die im Jahre 2000 zum Nationalen Kunstmonument erklärte Kirche Templo Parroquial de San Rafel Arcángel sowie das in einem baufälligen Gebäude untergebrachte Sandino-Museum. Während die Kirche jederzeit besucht werden kann öffnet Kurator Tomás die Museumspforten nur nach Vorankündigung. Wir haben Glück, denn Tomás erwartet eine Gruppe Interessierter, so dass wir ebenfalls den Rundgang durch das kleine Museum machen können.

Auf unserer Weiterfahrt erreichen wir Selva Negra. Die Kaffeefinca, in den 1970er Jahren von Deutschen gekauft und zu einem Luxus-Berg-Ressort ausgebaut, bietet selbstgemachten Käse an. Dieser ist selten in guter Qualität zu bekommen, weshalb wir hier gerne einen Stopp einlegen und uns mit Camembert sowie Bergkäse eindecken. Das Ressort erinnert tatsächlich ein klein wenig an den deutschen Schwarzwald und macht seiner spanischen Übersetzung Selva Negra alle Ehre.
Kurz vor Sonnenuntergang parkieren wir bei El Castillo in Matagalpa und genießen gerade noch einen Blick auf die Stadt, bevor die Sonne hinter den Bergen verschwindet. Nachtwächter Ernesto schaut noch kurz vorbei, um einen kleinen Plausch zu halten. Wir verabschieden ihn mit einer Dose Cola und etwas zum Knabbern, so dass er ganz zufrieden seine Runde dreht, dicht gefolgt von Wachhund Vicki.

El Castillo ist der Name einer Schokoladenmanufaktur. Aus organischen Kakaobohnen wird hier in Handarbeit leckere Schokolade hergestellt. Wir lassen uns auf einer Hausführung genau erklären, wie das geht und füllen natürlich auch gleich noch unsere Vorräte mit diversen Tafeln auf. In unserem kleinen Kühlschrank müssen wir mächtig zusammen stauen, damit ein Kilo Käse und ein Kilo Schokli noch hineinpassen.

Montag, 7. März 2011

Neue Diashow "Blumiges" ...

... links unter "Wissenswertes"

Viel Spaß :-)

Im Elfenwald

Es ist, als ob gleich Gnome, Zauberer und Elfen unseren Weg kreuzen. Märchenhaft sieht es aus, wild und schön in der Naturreserve Miraflor, einem fast unberührten Bergnebelwald in Nicaragua. Die Bäume präsentieren sich voller Bromelien und Orchideen, eingehüllt in lange Bärte von Spanisch Moos, das bis zu einem Meter lang von den Ästen im Wind weht.

Der Frühnebel lichtet sich gerade und taucht die Umgebung in ein diffuses Licht, als wir uns auf den langen, beschwerlichen Weg von Coyolito nach San Rafael del Norte machen. Nur im Schritttempo kommen wir voran, quälen uns langsam über die holperige Piste. Dennoch fahren hier Busse, die ihre Ankunft durch lautes Hupen bereits lange vorher ankündigen.

Wir passieren Orte wie La Perla, Cebollal und Sontule, die eigentlich keine wirklichen Orte sind, da sie nur jeweils aus einer Handvoll Häuser bestehen. Verstohlen blicken uns die Bewohner nach, als wir vorbeifahren. Etwas argwöhnisch sind sie wohl; oft kommt sicher niemand vorbei. Strom scheint es zu geben, wie die Masten verraten, fließend Wasser nicht; der Herd wird mit Holz befeuert, das sicher zum kernigen Geschmack der gebackenen Mais-Tortillas beiträgt. Der Geruch nach den herzhaften Fladen hängt fast überall zur Mittagszeit in der Luft. Wir halten an einer Finca, wo man uns lecker bewirtet, schlendern durch den schönen tropischen Garten, in dem die Hausherrin Gemüse und Blumen zieht - "alles organisch", wie sie betont, genau wie der Kaffee und die Bananen, die hier wachsen. Um das Einkommen aufzubessern werden Zimmer vermietet, Familienanschluss garantiert.
Hier gibt es keine Schilder oder Kilometerangaben: „Wie weit ist es noch bis Yalí?“, fragen wir einen Reiter, der uns entgegenkommt. „3 Stunden“, lautet die knappe Antwort.


Sonntag, 6. März 2011

Beautiful Eyes

Unsere letzte Nacht in Honduras verbringen wir in der Casa Colibri in Yuscarán, einem kleinen verschlafenen Kolonialstädtchen rund 70 Kilometer von der nicaraguanischen Grenze entfernt. Als wir uns dieser am nächsten Tag nähern passieren wir Polizeikontrolle Nummer 5 und 6 auf honduranischem Boden. Am ersten Kontrollposten nimmt man uns nur aus dem Augenwinkel war. Wir werden durchgewunken. Bei Kontrolle Nummer 6 geht es etwas mehr zur Sache, denn der Polizist möchte sowohl Freds als auch Rebeccas Papiere sehen. Wir reichen unsere laminierten Farbkopien durchs Fenster, die eifrig vom Ordnungshüter studiert werden. Nach intensiver Prüfung der Vorder-und Rückseiten gibt der Polizist sie Fred mit den Worten „She has beautiful eyes!“ zurück. Dabei schaut er Rebecca lächelnd an und zwinkert Fred anerkennend zu. 

Abschluss der Autoversicherung

Kurz danach fahren wir auf Las Manos zu. Der 6. Grenzübergang auf unserer Reise steht an. Ehe wir uns versehen ist auch schon alles erledigt – inklusiv der verlangten Autoversicherung. Nach einer Stunde heißt es für uns: Bienvenidos en Nicaragua!

Willkommen in Nica-Land!
Die Straße, auf der wir uns unserem ersten Ziel, dem Dörfchen Sunis in der Nähe von Somoto nähern, ist ziemlich verlassen. Kaum ein Auto fährt auf der gut asphaltierten Straße, die sogar über Fahrbahnbegrenzungsmarkierungen verfügt. Die hatten wir das letzte Mal in den USA gesehen. „Warum den guten Belag nicht für ein Fußballspiel nutzen?“, haben sich ein paar Jungs gedacht und kicken sich den Ball auf dem glatten Untergrund, der einzige weit und breit, munter zu. Nicaraguas Straßen sind in einem guten Zustand, was wir Vielfahrer natürlich sehr begrüßen. Trotzdem ist erstaunlich wenig los auf der Panamericana, die wir hier mal wieder kreuzen. Es gibt weniger KFZ als anderswo auf unserem Weg. Dafür sehen wir mehr natürliche Pferdestärken verkehren. Wer kein Auto hat reitet eben zum Einkaufen.

Die Tiere warten geduldig, bis ihre Besitzer vom Einkaufen zurück kommen
„Bessere Straßen, gleiches Müllproblem“, schießt es uns durch den Kopf, als wir unsere Blicke in die Landschaft schweifen lassen. Die Straßenränder liegen voller Plastiak. Während früher Abfall quasi aus kompostierbaren Materialien bestand, hat König Kunststoff in alle Winkel Einzug gehalten. Wie praktisch die Plastikflaschen und Tüten doch sind. Sie lassen sich so vielfältig (wieder-)verwenden und halten mehr aus als eine ausgehöhlte Kokosnuss, die als Trinkgefäß dient(e) oder ein paar Bananenblätter, die man als Teller benutzt(e). Gewohnt, diese Art Müll an Ort und Stelle zu entsorgen, fällt es den Latinos schwer von dieser Gewohnheit zu lassen. Versuche, zur Müllvermeidung zu erziehen, scheitern oftmals daran, dass es keine Mülleimer gibt, keine Müllabfuhr vorbeikommt und es sowieso viel einfacher ist, das ganze Zeug einfach im Garten zu verbrennen, zu vergraben oder auf eine wilde Müllkippe zu schütten (die wir übrigens in Ermangelung anderer Gelegenheiten manchmal auch nutzen müssen).

In Sunis, einem kleinen, verstaubten Dörfchen, das sich mit sog. Community Tourismus erste infrastrukturelle Einrichtungen (Strom gibt es seit kurzem, eine Wasserleitung befindet sich in Bau) verdient hat, dürfen wir direkt am Rio Coco parken. Nur das Schnauben der Pferde, die hier – übrigens auch nachts – unermüdlich verdorrte Grashalme aus der trockenen Erde rupfen ist zu hören, als wir uns unter einem grenzenlosen, klaren Sternenhimmel schlafen legen. Zum Frühstück am kommenden Morgen naht neuer Besuch. Eine Kuhherde trottet gemächlich an uns vorbei (mitunter ähneln die Stellplätze Ferien auf dem Bauernhof. Hühner und Hunde gibt’s sowieso zuhauf, Esel sind nicht selten, mitunter quiekt es im Gebüsch und Familie Schwein kündigt sich an). Ehe wir uns versehen tauchen auch schon die ersten Ausflügler an unserem Stellplatz auf, um den nahegelegenen Canyon per Boot zu erkunden. Genau das haben auch wir vor, allerdings haben wir uns für die eine andere Variante entscheiden.

Fausto, unseren Guide, treffen wir am Besucherzentrum. Um dorthin zu gelangen steht mal wieder eine Flussdurchquerung an, die wir bravourös meistern. Dabei werden wir sehr genau beobachtet. Es ist nämlich Waschtag. Gleich kiloweise wird die Wäsche von den Dorffrauen, die knietief im Fluss stehen, geschrubbt.

Am Besuchercenter präparieren wir uns mit festem Schuhwerk, einer Wasserflasche und trockener Kleidung zum Wechseln. Zunächst laufen wir durch die Umgebung von Sunis. Der Spaziergang verläuft eine halbe Stunde auf ebenem Grund, bevor es abwärts geht, wo wir uns allmählich dem Ursprung des Rio Coco, der hier den Canyon de Somoto geformt hat, nähern. Wir tauchen ein in die Welt der Schlucht, laufen am steinigen Flussufer entlang und die uns umgebenden Felswände werden immer höher und steiler. Als die Felsbrocken zu groß werden beginnen wir sie kletternderweise zu erklimmen. Vorneweg stets Fausto, der den Weg bestens kennt und genau weiß, wohin er treten muss bzw. kann, während wir immer wieder aus- und abrutschen, uns festhalten müssen, was an den glatt geschliffenen Felsen gar nicht so leicht ist. Da, wo die Felsen noch größer sind und wir sie auch nicht mehr kletternd meistern können, müssen wir ins Flussbett ausweichen. Teilweise stehen bis zu den Knien im kalten Wasser. Langsam waten wir voran, denn das Flussbett ist steinig, die Steine sind glitschig und bieten keinen Halt. Trotzdem das Wasser klar ist können wir den Untergrund nicht erkennen, wissen nicht, wohin wir treten, so dass wir auch hier immer wieder ins Straucheln geraten. Wir kreuzen den Fluss mal von rechts nach links, mal von links nach rechts. Nach ungefähr einer guten Stunde erreichen wir eine Stelle, von der aus wir uns nur noch schwimmend fortbewegen können. Also komplett rein ins kalte Nass und lospaddeln. Dank der Schwimmwesten ist es kein Problem sich auch mal ein paar Meter treiben zu lassen und das tolle Panorama zu genießen. Bis zu 160m hoch ragen die steilen Felswände um uns herauf auf. Die schmalste Stelle soll nur etwa 10 m messen und wird hier nur für ca. eine Stunde täglich von der Sonne beschienen. Das Wasser schimmert an manchen Stellen grün, Felsen hängen über und kleine Stromschnellen zwingen uns aus dem Wasser heraus, bevor wir wieder eintauchen müssen, um den Weg fortsetzen zu können. Als wir schon ziemlich ausgekühlt sind gelangen wir an eine 2 Meter hohe Stufe im Flussbett. Das Wasser bricht sich gurgelnd bahn, um unter uns einen schäumenden Strudel zu bilden. Bange schauen wir in die Tiefe, die nur aus weißem, sprudelnden Wasser besteht. Es gibt keine andere Möglichkeit als zu springen …

Nach diesem waghalsigen Manöver lassen wir uns von der Strömung weiter treiben. Inzwischen zittern wir, so sehr sind wir bereits ausgekühlt. Als wir nach 2 Stunden Canyon das Ruderboot erreichen, mit dem wir die letzten 500 Meter zurücklegen, sind wir froh über trockene Klamotten, die wir rasch anziehen, um uns anschließend in der Sonne wieder aufzuwärmen.

Das Abenteuer Canyon hat uns einige Kraft gekostet, so dass wir herzhaft Mittag halten, bevor wir nach Estelí und weiter in die Reserva Natural Miraflor weiterfahren.

In Estelí ziehen wir zunächst Geld am Bankautomaten der BAC. Dort treffen wir Dixon und Mario, die beiden Wächter.Während Dixon in dicken Zigarrenqualm eingehüllt ist (5 der estelischen Spezialität verpuffen so täglich und vertreiben ihm die Zeit seines langweiligen Jobs), erklärt uns Mario, dass man in Nicaragua sowohl mit US-Dollar als auch mit nicaraguanischen Cordobas bezahlen kann. Danach geht´s zum Supermarkt, wo wir uns mit Lebensmitteln eindecken.

Um in die Reserva hineinzufahren benötigen wir 1,5 Stunden für 13 Kilometer Schotterpiste vom allerfeinsten. Es dämmert bereits, als wir das Grundstück von Dora Iglesia erreichen, um dort unsere Nacht zu verbringen. Fast hätten wir es nicht erwartet sie überhaupt noch zu erreichen, zu einsam und abgeschieden liegt der kleine Ort Coyolito, der eigentlich gar kein richtiger Ort ist, sondern nur eine Ansammlung von ein paar Häusern. Froh, den Platz doch noch gefunden zu haben, „installieren“ wir uns, wie es hier so schön heißt. Das Zelt wird aufgeklappt, die Vorhänge zugezogen und als sich Rebecca dem Kühlschrank nähert, um für das Abendbrot zu decken, stockt ihr das Herz für einen Moment: zwei dunkle Knopfaugen starren sie an!

Auf dem Polster der Bank hockt ein Frosch, der uns wohl am Rio Coco ins Auto gehüpft sein muss. Schnell fangen wir ihn ein, um ihn nach draußen zu bugsieren. Na der wird sich wundern, wo er gelandet ist - so wie wir manchmal auch!