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Samstag, 23. Oktober 2010

Buena gente und ein kaputter Christus

Im Spanischen werden mit den Begriffen mala gente und buena gente zwei Menschentypen unterschiedlichen Charakters bezeichnet. Während die mala gente Unsympathen sind, denen man nicht über den Weg traut und die jederzeit bereit sind, unrechtes zu tun, gelten buena gente als die Guten. Genau solche haben wir in San José de Gracia in der Nähe von Aguascalientes getroffen.

Auf unserem Weg in die Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaats Aguascalientes hielten wir an einem Verkaufsstand für Weintrauben und kamen mit dem Verkäufer ins Gespräch. Er empfahl uns einen Abstecher nach San José de Gracia zu machen. Da wir auf unserem Trip ja sowieso nichts anderes vor haben als „umherzufahren“ und uns Orte anzuschauen sind wir kurzerhand von der Carretera nach San José abgebogen. Der ursprüngliche Ort fiel 1928 einem Staudammprojekt zum Opfer und befindet sich seither unter der Oberfläche des entstandenen Stausees, so dass San José neu am Seeufer errichtet wurde. Seit der Überflutung verdingten sich die Bewohner als Bauern oder suchten sich Jobs in den USA. Vor 6 Jahren dann wurde die Statue des Cristo Roto (kaputter Christus) aufgestellt. Es handelt sich um eine große Christusstatue ohne Kreuz. Obendrein fehlen ihr ein Arm sowie ein Bein. Diese Statue sieht etwas merkwürdig aus und man könnte meinen, hier sei dem Erbauer das Material ausgegangen. Die Botschaft aber lautet, dass auch diejenigen bedacht werden sollen, die behindert auf die Welt gekommen sind, auch diejenigen Fürsorge verdienen und nicht vergessen werden sollen, die ihrer Stütze beraubt wurden, ohne Heim oder Familie leben müssen.
Seit Cristo Roto über San José de Gracia wacht kommen sehr viele Mexikaner Wochenende für Wochenende in den kleinen Ort und lassen sich in Booten zu der Insel im See fahren, auf der die Statue steht. Mitten in diesem Pilgerstrom haben wir Thomas und Martin aus Deutschland kennen gelernt. Die beiden hatten den Landy auf dem Parkplatz gesehen und die einzigen nicht-mexikanisch aussehenden Personen - uns -  angesprochen. Nach einer lebhaften Unterhaltung haben sie uns zu sich nach Irapuato eingeladen, wo sie noch bis Dezember arbeiten, bevor sie nach Deutschland zurückkehren. Buena gente!


El Cristo Roto von San José de Gracia im mexikanischen Bundesstaat Aguascalientes

Unschlüssig, ob wir an diesem Sonntagnachmittag noch bis Aguascalientes, unserem eigentlichen Ziel fahren sollen, schauten wir uns in San José vorsichtig nach einem Schlafplatz um. Wie üblich fragten wir einige Leute, wie es denn um die Sicherheit bestellt sei. „Kein Problem, hier passiert nichts“, lautete die einhellige Antwort. Wir beschlossen zu bleiben, vor allem, da der Parkplatz am See nachts bewacht ist. Wir machten uns also auf, eine Kleinigkeit zu essen und bekamen ein paar Quesadillas (mit Käse gefüllte Tacos) und Bier angeboten. Bereitwillig griffen wir zu, ehe wir den Wagen positionierten und uns daran machten, alles für die Nacht vorzubereiten. Unsere abendlichen Aktivitäten fielen zusammen mit dem Feierabend der Souvenirverkäufer. Bereits aus der Ferne merkten wir die neugierigen Blicke, die unser Tun hervorrief und plötzlich fragte mich eine leise Stimme, was ich denn hier täte. Ein kleines Mädchen hatte sich uns genähert und mutig gefragt. Bereitwillig gab ich Auskunft. Es dauerte nicht lange, bis wir von einer ganzen Schar Kinder und Erwachsener umringt waren. Ein reger Austausch, begleitet von vielen neugierigen Blicken ins Wageninnere, folgte. Woher wir kämen, wohin wir wollten, warum wir reisten, wovon wir lebten, wo wir schliefen und und und. Die Menschen waren auf eine Art gespannt zu erfahren, was es mit uns auf sich hat, auf eine andere Art aber auch sehr zurückhaltend. Dabei sehr freundlich, geradezu herzlich. Deutschland kennen sie spätestens seit der Fußballweltmeisterschaft, auch schon die ganz Kleinen und es ist klar, dass auch wir interessant sind, genauso interessant, wie sie für uns. Unser interkultureller Austausch endete damit, dass sich das kleine Mädchen, das sich uns als erstes genähert hatte, sagte, sie würde gerne mit uns fahren und dabei sehnsüchtig den Landy und uns anschaute.

Mit viel Lachen und ebenso vielen guten Wünschen für die Zukunft verabschiedeten wir uns voneinander und winkten uns noch lange zu. Während die kleine Gruppe von dannen zog blieben wir ganz gerührt zurück.

Die Sympathiebekundung der Menschen von San José de Gracia mündete schließlich darin, dass eigens für uns die öffentliche Toilette, die gewöhnlich um 19.30h schließt, geöffnet blieb.

Am nächsten Morgen ließ der 1. Besuch nicht lange auf sich warten. Eine ältere Frau kam zu uns geeilt nachdem wir aufgestanden waren. Sogleich gesellte sich eine zweite dazu und ihre Fragen galten allein unserem Wohl. Sie fragten, ob wir denn gut geschlafen hätten, ob wir etwas zu essen wünschten, bräuchten oder sie uns mit irgendwas behilflich sein könnten.

Nach diesem schönen Erlebnis mit diesen Menschen waren wir nun wieder versöhnt mit den schlechten Erfahrungen, die wir am Kupfer Canyon gemacht hatten und freuen uns umso mehr, dass wir in Mexico mehr buena als mala gente treffen.

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